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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Ich kenne sie gut, über zwanzig Jahre habe ich mit ihnen in ihrem neu errichteten Herrenhaus El Galeón gelebt.«
    Seine Miene verdüstert sich, als er von Baskardos Sippespricht, auch wenn man im Ort nie herausgefunden hat, was seine Madia mit jener durchtriebenen, gewissenlosen Frau verbindet, mit der sie als kleines Mädchen Anfang des vergangenen Jahrhunderts nach Getxo kam und die wir alle nur als
Sie
kennen; während Madia ihrem Herzen folgte und Roque heiratete, zog
Sie
alle Register, um zu Macht und Reichtum zu gelangen. Und Efrén Baskardo war ihr in dieser Hinsicht ein würdiger Sohn.
    Über zwanzig Jahre habe er in El Galeón gelebt, hat Roque gerade gesagt.
    »Eladio und Leonardo sind in El Galeón geboren und aufgewachsen. Haben Sie noch nie daran gedacht, dass das vielleicht auf die beiden abgefärbt hat? Kinder hören und sehen alles Mögliche, und das eine oder andere ahmen sie nach.«
    »Vor allem das Schlechte.«
    »Daran sind die Baskardos schuld, nicht Sie.«
    »Ich liebe meine Kinder alle gleich. Und trotzdem …«
    »Haben Sie Eladio je wiedergesehen, nachdem das damals passiert ist?«
    »Ich habe die Zwillinge nicht aus unserer Familie ausgeschlossen, das haben sie schon selbst getan. Mit ihren unzähligen Gaunereien.«
    »Er kam nicht ein einziges Mal mehr nach Basaon?«
    Altube antwortet nicht, doch ist ihm anzusehen, dass ihn das schlechte Gewissen plagt.
    »War die Polizei seinerzeit eigentlich auch bei Ihnen?«
    »Ja, sie waren da«, erwidert er düster. »Ob ich denke, dass der Allmächtige sie ihrer gerechten Strafe zugeführt hat, fragte mich einer, und dann fügte er noch hinzu: ›Gott hat ganz im väterlichen Sinne gehandelt, nicht wahr?‹«
    Sie haben tatsächlich Roque Altube verdächtigt?! Was für Dummköpfe! Wahrscheinlich dachten sie, er als gestrenges Familienoberhaupt habe es nicht mehr länger dulden können,dass die Zwillinge die Ehre der Altubes besudelten. Eine ziemlich irrwitzige Unterstellung – wenn auch nicht völlig von der Hand zu weisen.
    »Ganz im väterlichen Sinne gehandelt …«, wiederholt Roque monoton und fährt sich mit der faltigen Hand über die müden Augen.
    »Und wenn das alles ein abgekartetes Spiel Ihrer beiden Söhne war«, bohre ich vorsichtig nach, »das dann leider nicht gut ausgegangen ist? Wenn sie uns nur glauben machen wollten, dass jemand sie umbringen will, und sie sich deshalb selbst an Apraiz’ Felsen ketteten?«
    Noch nie habe ich jemanden so verdattert gesehen.
    »U-und wozu?«, stottert er.
    »Na ja, vielleicht damit wir ein Auge zudrücken und ihnen ihre Gaunereien verzeihen.«
    Es ist ihm anzusehen, dass er gerade seine sämtlichen Moralvorstellungen zusammenstürzen sieht und nicht mehr weiß, was er denken soll.
    »Sie tickten einfach vollkommen anders als wir, und vielleicht sind sie deshalb auf so einen verstiegenen Plan gekommen … Was glauben Sie, Roque? Wären sie imstande gewesen, sich einer so großen Gefahr auszusetzen und sich bei ansteigender Flut an einen Felsen zu ketten?«
    Sein Mund geht auf und zu, als schnappe er wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft, bevor er schließlich stammeln kann: »Ich weiß nicht … keine Ahnung … Schwierig … Aber man hat schon … die seltsamsten Dinge gesehen …« Und dann holt er ein letztes Mal tief Luft und sagt: »Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr haben sie die Menschen hier in Getxo betrogen … deshalb kann es schon sein, dass sie uns mit so einem perfiden Plan manipulieren wollten.«
     
    Die Buchhandlung sollte eigentlich längst geschlossen haben, aber durch die Glastür sehe ich hinten noch Licht brennen, und so klopfe ich. Bis zu diesem Tag ist mir noch nie aufgefallen, dass meine platinblonde Sekretärin sich beim Gehen in den Hüften wiegt.
    »Die von Continental würden mir das doppelte Gehalt zahlen, wenn ich bei ihnen anfange«, erklärt sie, kaum hat sie mir aufgemacht. »Vorhin hat mich ihr zweiter Chef auf der Straße angehalten. ›Dieser Esparta ist am Ende, Puppe, dem werden nur Scheißaufträge übertragen; wir hingegen haben den Polizeiapparat hinter uns, den Bürgermeister und sogar die Presse. Sag, welche Zukunft hast du bei einem solchen Waschlappen, der sich noch nicht einmal traut, seinen eigenen Namen zu benutzen?‹« Kurz hält sie inne, ihre Augen blitzen, sie wird aber gleich wieder ernst. »Wortwörtlich hat er das vielleicht nicht so gesagt, aber gedacht hat er es ganz bestimmt. Sein verschlagenes Grinsen sprach jedenfalls für sich. Und

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