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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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unterbricht sie mich ungeduldig.
     
    Sehr geehrter Señor Bordaberri,
     
    von der allerersten Stunde an weiß ich um die Nachforschungen, die Sie anstellen, um den Mord an Leonardo Altube aufzuklären. Und ich muss Ihnen sagen, das lässt mich nicht kalt.
    Von 1915 bis 1921 arbeiteten die Altube-Brüder in meinem Bestattungsinstitut und der Versicherungsgesellschaft im San-Baskardo-Viertel, meinen ersten kaufmännischen Unternehmungen überhaupt. Dann musste ich sie wegen Betrugs entlassen. Sie hatten die Kassenbücher gefälscht und viel Geld unterschlagen. Zu viel Geld! Mit gerade mal sechzehn Jahren Efrén Baskardo Puerta übers Ohr zu hauen: Das muss diesen Rotzlöffeln erst einmal einer nachmachen! Und Sie können mir glauben, es war mir eine Lehre, und ich danke den Blutsaugern letztlich sehr dafür.
    Zum Betrügen braucht es allerdings Klasse, und die besaß keiner der beiden je. Ein paar Spitzbuben waren sie, mehr nicht, nie sind sie über kleine Gaunereien hinausgekommen, haben nie im großen Stil betrogen – obwohl Bilbaos Eisenindustrie in unmittelbarer Nähe ist. Sie werden verstehen, Don Sancho, was es für ein Stachel in meinem Fleisch ist, dass ich, Efrén Baskardo Puerta, mich von ihnen schon habe hereinlegen lassen, als sie noch völlig ohne Erfahrung waren.
    Ich habe eine Auflistung all ihrer Opfer, falls Sie den Kreis der Verdächtigen erweitern wollen. Ich selbst, ihr allererstes Opfer, habe mich damals damit getröstet, dass es eine ausgleichende Gerechtigkeit gibt, sonst hätte ich sie gleich selbst umgebracht.
    Zehn Jahre sind seit dem »Verbrechen«, wie Sie es nennen, vergangen. Natürlich ist es schwer, wenn nicht gar unmöglich, es anders zu bezeichnen. Aber ich habe mich in der Zeit eingehend mit den Zwillingen befasst. Sie sind teuflisch geschickt darin, die Wahrheit zu verdrehen: Was sie einem als wahr verkaufen, sollte man sofort infrage stellen, so viel kann ich Ihnen versichern. Wenn einer von ihnen nun also behauptet, es sei ein Verbrechen gewesen, können wir sicher davon ausgehen, dass es keines war. Nur: Was war es dann?
    Wahrscheinlich werden Sie sich jetzt fragen, warum ich Ihnen das alles erzähle. Nun, weil Sie bei Ihren Ermittlungen nicht um sie herumkommen, und sie sind gefährlich, auch wenn es inzwischen nur noch einer ist: Die Boshaftigkeit und Verdorbenheit des Toten sind garantiert auf den Überlebenden übergegangen, sodass er die Betrügereien mit derselben Effizienz weiterführt wie einst zu zweit. Eladio wird Sie belügen, Don Sancho, das hat er im Blut – was kein Vorwurf gegen seinen von mir sehr geschätzten Vater Roque sein soll.
     
    In der Hoffnung, dass Sie sich meine Warnung zu Herzen nehmen, verbleibe ich mit den besten Grüßen
     
    Efrén Baskardo Puerta, Grande de España
    Palacio El Galeón, Getxo
     
    »Siehst du? Noch einer!«, rufe ich und wedle mit dem lachsfarbenen Blatt vor Koldobikes Nase herum. »Mit Don Manuel hat Baskardo nun wirklich gar nichts gemein, und dennoch glaubt auch er, dass die Zwillinge uns alle hinters Licht geführt haben.«
    Koldobike ist von Don Manuels Theorie jedoch noch immer nicht überzeugt.
    »Er hat mit keinem Wort geschrieben, dass sie den Mordanschlag vorgetäuscht hätten. Diesen Geldsack wurmt doch nur, dass sie ihn vor über zwanzig Jahren hinters Licht geführt haben. Und außerdem: Wer weiß, was er mit diesem Schreiben bezweckt.«
    »Mir reicht es, dass er diese gerissenen Gauner dazu fähig hält. Und was er schreibt, finde ich gar nicht so dumm: ›Wenn einer von ihnen behauptet, es sei ein Verbrechen gewesen, können wir sicher davon ausgehen, dass es das nicht war.‹«
    »Oje, Chef, du bist in die Idee wirklich vollkommen vernarrt.« Koldobike seufzt. »Hör auf meinen Rat: Etwas allzu sehr zu lieben, ist nie gut.«
    Worte wie Liebe oder Vernarrtheit fallen selten zwischen uns … Eigentlich nie, wenn ich mir’s recht überlege. In einem Arbeitsverhältnis haben sie aber auch nichts zu suchen. Im Gegensatz zu denen aus meinen Büchern ist meine Sekretärin jedenfalls nicht ganz so perfekt, denn ihre Wangen röten sich nun leicht.
    »Na ja, nachdem meine Ermittlungen zwischenzeitlich ins Stocken geraten sind, weisen sie jetzt wenigstens in eine konkrete Richtung«, breche ich das peinliche Schweigen.
    »Was dir nur leider überhaupt nichts bringt, Sam«, erwidert Koldobike, die sich zu meinem allerheiligsten Regal umgedreht hat, »denn wenn es keinen Täter gibt, kannst du auch deinen Krimi

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