Nur eine Nacht voll Zärtlichkeit
würde ihn gern beim nächsten Mal spielen hören. Annie, wir sehen uns morgen früh.”
Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Annie hatte das Gefühl, als tanzten Schmetterlinge in ihrem Bauch.
“Trevor müsste gleich kommen”, sagte Jamie rasch. “Warum bleibst du nicht noch zum Essen, Trent?”
“Vielen Dank, aber ich habe noch etwas vor. Bis dann.” Und ohne Annie noch einmal anzuschauen und ohne weitere Erklärung, ging er.
“Aber …” Jamie seufzte, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Sie sah entschuldigend zu Annie. “Ich nehme an, er hat seine Gründe, so schnell aufzubrechen.”
Annie nickte abwesend und blickte immer noch auf die Tür. Sie atmete tief durch. “Die wird er wohl haben.”
“Ich glaube, auf das Thema ‘neuer Anfang’ reagiert er noch ein bisschen empfindlich. Du hast doch von dem Unfall gehört, der seine Karriere als Pilot beendet hat, nicht wahr?”
“Ja.”
“Natürlich. Du hast sicher gemerkt, wie lebhaft die Gerüchteküche in Honoria kocht.”
“Nun ja, ich …”
“Trent hat Probleme damit, sich auf die Veränderungen in seinem Leben einzustellen – zumal er nie damit gerechnet hat. Er wollte immer nur fliegen, und das kann er nicht mehr. Ich kannte ihn vor dem Unfall kaum, denn Trevor und ich hatten uns damals gerade erst kennengelernt. Aber ich habe gehört, dass er vorher ganz anders war. Launisch ist er schon immer gewesen, sagt Trevor, aber vor dem Unfall soll er viel offener und geselliger gewesen sein. Mehr noch, er war der Mittelpunkt jeder Party. Schwer zu glauben, was?”
Annie dachte an den Schmerz, den sie von Anfang an hinter Trents abweisendem Verhalten gespürt hatte. Sie konnte sehr gut begreifen, dass diese schreckliche Erfahrung ihn verändert hatte. Sie war durch die Entwicklungen des letzten Jahres auch wie verwandelt, war heute weniger naiv und eigenständiger. Nur zu gut verstand sie Trents Wut und Trauer, auch wenn sie selbst immer versucht hatte, die Bitterkeit zu vermeiden, die Erschütterungen im Leben so häufig mit sich brachten. Der Flugzeugabsturz hatte Trent schwer getroffen. Preston Dixon hatte durch seine Lügen und leeren Versprechungen Ähnliches bei ihr bewirkt.
Sie sah auf die Uhr und stand auf. “Ich glaube, ich muss los”, sagte sie, weil ihr einfach nicht wohl dabei war, hinter Trents Rücken über ihn zu reden. “Ich habe noch ein paar Büros zu reinigen.”
Jamie begleitete sie hinaus. “Also dann bis spätestens nächste Woche. Darf ich wegen der Klavierstunden ein paar Eltern deine Telefonnummer geben?”
“Natürlich. Ich werde sie schon irgendwie in meinem Terminplan unterbringen, wenn sie wirklich interessiert sind.” Insgeheim war Annie sehr glücklich darüber, endlich das anwenden zu können, was sie gelernt hatte – und damit ihren Vater und ihren Exverlobten Lügen zu strafen, die das nie für möglich gehalten hatten.
Als sie am Freitag darauf wieder zum Putzen kam, konnte Annie sofort sehen, dass Trent in schlechter Verfassung war. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst, ein schmerzerfüllter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, und er hielt den Blick gesenkt.
“Alles okay?”, fragte sie spontan.
Er hob das Kinn. “Mir geht es gut. In der Truhe ist einiges an Schmutzwäsche. Wenn du Zeit hast, kannst du dich darum kümmern, ich bräuchte saubere Jeans.”
“Wird gemacht.” Sie beobachtete ihn, als er vor ihr ging. Er ging etwas steifbeinig, als hätte er Schmerzen. Obwohl sie vermutete, dass er ihr den Kopf abreißen würde, wenn sie ihn darauf ansprach oder ihr Mitgefühl ausdrückte, wollte sie zumindest versuchen, es ihm ein bisschen zu erleichtern. “Weißt du, bei mir ist nicht mehr so viel zu tun, wenn du also einen Tag freinehmen willst …”
Ungläubig blickte er sie an. “Nicht mehr viel zu tun? Hast du dein Haus in letzter Zeit einmal angesehen?”
“Du hast schon so viel getan”, sagte sie betont sachlich. “Ich habe das Gefühl, ich stehe dahinter ziemlich zurück.”
Er zog die Augenbrauen zusammen, und sie seufzte. Sie hatte es falsch angepackt. Dabei wusste sie doch, wie sensibel er war, wenn es um seine Verletzungen ging, wo auch immer die genau lagen. Er würde nie eine Schwäche zugeben. Ganz im Gegenteil würde er sich jetzt vermutlich besonders anstrengen. Merkwürdig, dachte sie, wie gut ich ihn inzwischen kenne, auch wenn wir uns nur so selten sehen. Der Gedanke hatte etwas Beunruhigendes.
“Wir haben eine Vereinbarung”, entgegnete Trent
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