Nur eine Nacht voll Zärtlichkeit
sollte. Vielleicht sollte sie damit drohen, seinen Bruder anzurufen.
Aber am besten war es erst einmal, sie stand nicht die ganze Zeit neben ihm. “Ich habe ein paar Dinge in der Küche zu tun”, sagte sie. “Ruf mich, wenn etwas ist.”
Er nickte und wich ihrem Blick aus. “Es geht schon.”
Natürlich ging es nicht. Er sah erbärmlich aus. Um sich irgendwie zu beschäftigen, begann sie in der Küche eine Lasagne zuzubereiten. Das gab ihren Händen etwas zu tun, aber ihre Gedanken wanderten ständig zu Trent.
Alles, was sie in den letzten Monaten über Trent McBride gehört hatte, und so wie sie ihn erlebte, wies darauf hin, dass er seine momentane Lage verabscheute. Offenbar hatte er in Honoria eine Art Heldenverehrung erfahren – Starathlet in der Schule, Schwarm der Frauen, glänzende Karriere bei der Air Force. Sie konnte sich gut vorstellen, wie atemberaubend er in Uniform ausgesehen hatte.
Wie erniedrigend musste es für so einen Mann sein, bewegungsunfähig auf dem Fußboden gefunden zu werden.
Sie wartete zwanzig Minuten, ehe sie wieder nach ihm sah. Er schlief, als sie auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer ging. Das Medikament musste ziemlich stark sein. Ob er die Tabletten immer bei sich hatte? Oder war es heute einfach nur ein glücklicher Zufall gewesen?
Nachdenklich betrachtete sie ihn und konnte dann nicht den Blick von ihm losreißen. Meistens war ihr gar nicht bewusst, dass sie gleichaltrig waren. Doch jetzt im Schlaf wirkte er viel jünger, und ihr wurde klar, dass erst der Schmerz die feinen Linien um seine Augen und den Mund gezeichnet hatte. Ihr Herz zog sich vor Anteilnahme zusammen.
Als Trent sich unruhig hin und her bewegte, ging sie schnell zurück in die Küche. Er sollte nicht aufwachen und sie dabei ertappen, wie sie ihn beobachtete, obwohl sie gern noch ein wenig länger bei ihm gewesen wäre, um ihn heimlich anzuschauen.
4. KAPITEL
Als Trent aufwachte, wusste er zuerst nicht, wo er war. Doch dann erinnerte er sich und stöhnte innerlich. Nach seinen großspurigen Versicherungen am Morgen hatte sein Rücken den wirklich denkbar schlechtesten Moment gewählt, um ihn außer Gefecht zu setzen. Nun würde Annie ihn – wie alle anderen – als Invaliden betrachten.
Wie dumm von ihm zu glauben, dass sie seine Hilfe brauchte! Der Gedanke, dass er ihr etwas geben konnte, hatte ihm gefallen, auch wenn es dabei nur um praktische Arbeit ging. Er hatte sogar überlegt, ob sie vielleicht mit ihm ausgehen würde und ob sie vielleicht mehr als einen Handwerker in ihm sehen könnte. Nichts Ernstes natürlich. Aber vielleicht könnten sie sich gegenseitig ein bisschen Gesellschaft leisten. Daran war jetzt natürlich nicht mehr zu denken. Selbst wenn sie mit ihm ausging, konnte er nicht sicher sein, ob sie es nicht nur aus Mitleid täte. Ein unerträglicher Gedanke.
Unser Arrangement war nicht schlecht, dachte Trent düster, aber damit ist es nun vorbei. Annie würde ihn nicht mehr in ihrem Haus arbeiten lassen, aus Angst, er könnte sich dabei verletzen. Und sie ohne Gegenleistung bei ihm putzen zu lassen, kam nicht infrage.
Sehr vorsichtig versuchte Trent, sich aufzusetzen. Seine Rückenmuskeln protestierten spürbar, aber er ignorierte die Schmerzen und stand langsam auf. Verlockende Düfte, die aus der Küche drangen, verrieten ihm, wo Annie war. Er ging mit kleinen Schritten zur Küchentür und wappnete sich für größere Demonstrationen von Anteilnahme.
Annie saß am Tisch und las. Als er eintrat, schaute sie auf. Erst weiteten ihre Augen sich vor Überraschung, dann wurde ihr Blick prüfend. “Du siehst etwas besser aus”, sagte sie erstaunlich sachlich.
“Ja, mir geht es auch besser.” Zwar nur eine Spur, aber immerhin.
“Hast du Hunger? Es ist fast zwei, und die Frühstückszeit ist lange vorbei.”
Tatsächlich hatte er überhaupt nicht gefrühstückt. Nur einen Kaffee getrunken. Verblüfft stellte er fest, dass er hungrig war.
“Ich habe Lasagne gemacht”, erklärte Annie, als er mit der Antwort zögerte. “Ich wollte mir gerade selbst etwas nehmen. Es ist genug für zwei da.”
Lasagne war eines seiner Lieblingsessen. Er konnte eigentlich getrost zum Mittagessen bleiben, besonders da Annie keine der befürchteten Mitleidsbekundungen von sich gab. Ein Abschiedsessen sozusagen. “Das klingt gut. Danke.”
Sie schob das Buch beiseite und zeigte auf den zweiten, schäbigen Stuhl. “Setz dich. Was möchtest du trinken? Ich habe Eistee, Cola, Saft …”
Er entschied
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