Nur eine Ohrfeige (German Edition)
geworden.
»Ich würde fuchsteufelswild werden. Aber wenn Sava vorher auf sein Kind losgegangen wäre, dann würde ich es verstehen. Ich würde ihm sagen, dass er sich entschuldigen soll, und das war’s. Fertig. Vielleicht würde ich ihm auch eine knallen. Wir würden das wie Männer regeln, nicht wie diese zurückgebliebenen australischen Schwachköpfe.« Manolis zitterte. Er erinnerte sich an die vielen Menschen und die Atmosphäre im Gerichtssaal. Sandi hatte Angst gehabt, und Harry hatte sich geschämt.
Er stand auf. »Ich hab die Nase voll. Ich rede mit Aisha. Sie wird zur Party kommen.«
Elisavet verdrehte die Augen. »Viel Glück.«
Koula wurde wütend. »Du solltest deinen Bruder unterstützen, du solltest dich dafür einsetzen, diesen Wahnsinn wieder in Ordnung zu bringen. Stattdessen unterstützt du sie. Ich schäme mich für dich.«
»Aisha ist im Recht.«
Koula zeigte auf die Tür. »Geh jetzt. Es reicht mir.«
Elisavet nahm ihre Handtasche und ging ins Wohnzimmer, um ihren Kindern einen Abschiedskuss zu geben. Dann kam sie wieder und küsste Manolis auf die Stirn.
»Du wirst sehen. Sie kommt, sie wird auf mich hören.«
»Dad, sie kommt nicht.«
Er sagte nichts. Aisha würde ihm zuhören. Er würde ganz in Ruhe mit ihr reden. Seine Argumente waren vernünftig. Sie respektierte ihn, sie liebte ihn. Sie würde auf ihn hören.
Elisavet beugte sich vor, um auch ihre Mutter zu küssen, die ihr verächtlich die Wange hinhielt.
»Danke fürs Aufpassen, Mama.«
Koula gab keine Antwort.
»Bis um acht dann.«
Elisavet gab es auf. Resigniert machte sie sich auf den Weg. Sie warteten, bis die Wagentür zufiel und der Motor angelassen wurde.
Koula schlug die Hände überm Kopf zusammen. »Die spinnen doch alle, das ist doch verrückt.«
Er stand auf und rieb sich das Knie. Koula blickte ihn erwartungsvoll an, als er nach dem Telefon griff.
»Willst du sie anrufen?«
Er nickte. Aufgeregt lief sie ins Wohnzimmer. »Sava, Kiki, macht den Fernseher leiser. Euer
Pappou
telefoniert.«
Sava stöhnte. »Muss das sein?«
Koula drohte mit dem Finger. »Aber schnell. Oder ich versohl euch den Hintern.«
Der Junge tastete nach der Fernbedienung und stellte den Ton leiser.
Aisha verspätete sich. Manolis störte das nicht. Die High Street war voll mit Leuten, die ihre Freitagabendeinkäufe erledigten oder einfach spazieren gingen und den milden Frühlingsabend genossen. Aisha hatte ein Café vorgeschlagen, von dem er noch nie gehört hatte. Als er nun davorstand, kam es zu einer Begegnung, die ihn peinlich berührte. Ein junges Paar steuerte auf die Tür zu, gerade in dem Moment, als er die Hand auf die Klinke legte. Er ging davon aus – ja hielt es für selbstverständlich –, dass sie ihm Platz machten. Doch der Mann, der vorwegging, rauschte einfach in Manolis hinein. Keiner von beiden tat sich weh, aber sie sahen sich beide kurz irritiert an. Der junge Mann trat einen Schritt zurück und stieß dabei mit seiner Partnerin zusammen. Die Frau warf Manolis einen missbilligenden Blick zu, woraufhin er rot anlief. Befremdet stand er da und wartete auf eine Entschuldigung, doch der junge Mann rührte sich nicht und sagte auch kein Wort. Er sah nur verwirrt aus. »Entschuldigen Sie«, sagte die Frau schließlich in harschem Ton – ein Befehl, keine Entschuldigung –, und Manolis trat zur Seite und ließ sie vorbei. Auf der Straße drehte sich der junge Mann noch einmal nach Manolis um, er war noch immer durcheinander.
Das Café war gut gefüllt. Manolis nahm an einem hinteren TischPlatz und bestellte einen Cappuccino. Für seinen Geschmack hatte der zwar zu viel Milch, aber solange es keinen Mokka gab, war es der einzige Kaffee, den er trank. Er dachte nochmal an den Vorfall vor der Tür. Manolis war sich ziemlich sicher, dass der junge Mann sich eigentlich hatte entschuldigen wollen, dass er schon die Worte im Mund geformt hatte, als seine Freundin ihn grob beiseiteschob. Wäre Koula dabei gewesen, würde sie sich jetzt noch beschweren, wie ungehobelt und egoistisch die beiden gewesen waren. Auch er hatte lange gedacht, dass der schwindende Respekt vor dem Alter ein Anzeichen moralischen Verfalls war. Inzwischen war er sich da aber nicht mehr so sicher. Er fragte sich, ob die beiden einen Vater hatten. Wenn kein Vater da war, brachte einem niemand Respekt bei. In der Straßenbahn oder im Zug war er oft erstaunt über die mangelnde Höflichkeit von jungen Männern, bis er merkte, dass ihnen oft gar
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