Nur eine Ohrfeige (German Edition)

an.
    »Wir werden sehen.«
     
    Sie gingen tanzen. Natürlich gingen sie tanzen. Aisha gestattete sich während des Essens zwei Gläser Champagner, gerade genug, um etwas beschwingt zu sein, aber nicht die Kontrolle zu verlieren. Nachdem sie sich mit Art ein Mango brûlée geteilt hatte, schob er ihr unter dem Tisch zwei Pillen zu. Sie rieb sie zwischen den Fingerspitzen,steckte sie sich verstohlen in den Mund, nahm einen Schluck Champagner und blickte nervös in die Runde.
    Niemand beachtete sie, die anderen waren alle zu betrunken, um etwas zu merken.
    Arts Arm lag auf ihrem Stuhl. Sie lehnte sich zurück.
    Nach dem Essen gingen sie auf ein paar Drinks an die Hotelbar. Sie stand zwischen einem der Amerikaner und einem Holländer, mit dem sie bis dahin so gut wie gar nicht geredet hatte. Er war ausgesprochen groß, blond, Ende vierzig, aber von einer engelhaften Unschuld, die ihn viel jünger wirken ließ. Er war eloquent und geistreich, und es war offensichtlich, dass er Aisha attraktiv fand. Sie war nicht sicher, ob es schon die Pillen waren, jedenfalls warf sie sich in eine möglichst verführerische Pose und fing an, mit ihm zu flirten. Sie wusste, dass Art sie beobachtete.
    Es war Mitternacht, als die ganze Gruppe durch die Drehtür des Hotels in die stickige tropische Nacht hinausdrängte. Taxifahrer machten laut hupend auf sich aufmerksam. Art winkte zwei von ihnen heran. Der Holländer stieg hinten in das erste. Als Aisha ihm folgen wollte, packte Art sie am Arm und zog sie weg. Zusammen mit Yvonne und Oskar nahmen sie das zweite Taxi.
    Auf der Rückbank wurde Aisha von einer Welle der Euphorie gepackt, der Wagen schien über den blinkenden Lichtern der Stadt dahinzugleiten. Die Taxis rasten über den Freeway, der oberhalb der Metropole einen riesigen Bogen beschrieb. Aisha roch Schweiß, ihren eigenen, Arts, Oskars, den des Fahrers. Die feuchte Luft wog schwer, sie senkte sich vom Himmel herab und drang bis in den dicken Schlamm, aus dem die Stadt hervorgekommen war, den Dschungelboden, in den sie sich mit Sicherheit eines Tages zurückverwandeln würde. Die flackernden Neonlichter trotzten tapfer dem Unvermeidlichen. Während das Taxi vom Freeway abbog, kam es Aisha vor, als stürzten sie gemeinsam mit ihm in diese brodelnde Welt.
    Tausende von Menschen waren auf der Straße. Gruppen von Jugendlichen, die vor Nachtclubs standen und rauchten, Frauen,die mit ihren schlafenden Babys auf dem Schoß die Bürgersteige bevölkerten und plauderten, an jeder Ecke Stände, von denen ein Geruch nach Fleisch, Fisch, Zitronengras und Ingwer ausging. Aisha war seit der Geburt ihrer Kinder nicht mehr in Asien gewesen, aber sie erinnerte sich an das befreiende Gefühl, das man in diesem Chaos aus Dreck und Hitze empfinden konnte. Australien würde ihr nach ihrer Rückkehr steril und leblos vorkommen. Art, der sich vorne neben den Fahrer gesetzt hatte, drehte sich zu ihr um. Sie erwiderte seinen Blick mit einem strahlenden Lächeln.
    Das Taxi hielt in einer kleinen staubigen Straße voller Bars und Cafés. Gelangweilte thailändische Kellner und bekiffte Touristen saßen draußen an den Tischen und starrten auf Fernsehbildschirme. Auf dem größten lief der neue Film von Brad Pitt. Seine Stimme wurde vom mechanisch wummernden Rhythmus der Musik aus den Clubs übertönt. Normalerweise konnte Aisha dieses Uffta-Uffta nicht ausstehen, aber jetzt wiegte sie sich im Takt dieser rasenden Klänge, deren einziges Ziel es war, die Leute in Bewegung zu halten. Art führte sie eine schmale Treppe hoch, der Musik entgegen, und kaum waren sie oben, stand sie auf der Tanzfläche und ließ sich von den stampfenden Rhythmen mitreißen. Um sie herum waren hauptsächlich betrunkene europäische Rucksacktouristen, aber das störte sie nicht. Sie schloss die Augen und suchte sich ihren Platz zwischen den zuckenden Körpern. Eine Frauenstimme kreischte über der Menge:
My love, my love, my love
.
    Art hatte sich zu ihr durchgedrängelt. Sie spürte es, noch bevor sie die Augen öffnete. Art tanzte mit ihr, Yvonne tanzte mit ihr, und auch Oskar und der Holländer. Sie alle tanzten mit ihr, und sie war die Mitte.
My love, my love, my love
. Es war auf keinen Fall so, dass sie durch die Drogen die Kontrolle verloren hätte, wenn überhaupt, dann hatten sie ihr die Augen geöffnet. Sie nahm die Welt um sich herum ganz deutlich wahr, das Licht, die Klänge und ihre Gefühle. Es war Jahre her, dass sie zum letzten Mal getanzt hatte, und jetzt