Nur eine Ohrfeige (German Edition)
in einem Tempo weiter, dass sie fast rennen musste, um mitzukommen. Als ein besorgt aussehender junger Mann auf sie zukam und anbot, einen Wagen zu rufen, fuhr ihn Hector an, er solle sich verpissen. Der Mann wich erschrocken zurück. Aisha war überzeugt, dass Hector so geladen war, weil er nicht rauchte. Sie würde ihm eine Schachtel kaufen und ihn zwingen, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen. Sollte er doch früh sterben. Sie wollte sogar, dass er früh starb. Sie rannte hinter ihm her, rutschte auf dem unebenen Weg aus und verrenkte sich fast den Knöchel. Hector blieb nicht mal stehen. Es waren nicht nur die Zigaretten, es lag am Urlaub, dass alles, was sie an ihrem Mann störte, plötzlich einen so großen Stellenwert bekam. Während der letzten drei Tage waren sie ununterbrochen zusammen gewesen, das erste Mal seit Jahren. Und wieder fragte sie sich: Mag ich diesen Mann überhaupt?
Plötzlich blieb Hector vor einer grell erleuchteten Touristenklitsche stehen und ging hinein. Eine vierköpfige Band zupfte schlecht gelaunt ihre Gamelan-Instrumente, als spielten sie Muzak in einem Einkaufszentrum. Der Laden war schrecklich, und sie wusste, dass Hector es wusste und ihn genau deswegen ausgesucht hatte.
»Trifft das eher deinen Geschmack?«
Sie hätte ihn am liebsten geschlagen. Stattdessen nickte sie.
Eine junge balinesische Kellnerin eilte auf sie zu und führte sie zu einem Tisch. Aufgeregt und in stockendem Englisch reichte sie ihnen die Speisekarte. Hector bestellte Bier für sie beide. Als die Kellnerin fragte, was sie essen wollten, knallte Hector die Karte auf den Tisch. »Können Sie vielleicht mal einen Moment warten?« Die junge Frau erschrak, starrte ihn verlegen an, ließ dann den Kopf hängen und verneigte sich. Aisha wandte den Blick ab.
»Wie konntest du nur?«, schimpfte sie, als die Kellnerin sich entfernte. Hector ging nicht darauf ein, wurde aber rot. Gut so, er schämte sich. Als die junge Frau mit den Getränken zurückkam, entschuldigte er sich bei ihr. Das schien sie noch mehr zu beunruhigen, woraufhin er mehrmals »terima kasih, terima kasih« wiederholte, bis sie lächelte und er zurücklächeln konnte. Aisha musste sich beherrschen, nicht zu lachen. Plötzlich kam er ihr in seiner Trotteligkeit wieder liebenswert vor, aber so, wie er gerade gelaunt war, hätte er ihr Lachen wahrscheinlich falsch gedeutet. Ihr Magen zog sich zusammen, und ihr brummte der Schädel. Sie bezweifelte, dass sie auch nur einen Bissen runterbekam. Gierig trank sie das kalte Bier.
»Ich finde, du solltest Sandi anrufen und ihr gratulieren.«
»Ich schreib ihr eine Karte.«
»
Ich schreib ihr eine Karte
«, wiederholte er mit weinerlicher Stimme, wandte sich ab und schüttelte den Kopf. »Du bist echt unglaublich.«
»Wieso?« Sie meinte es ernst. Was hatte sie falsch gemacht? Was erwartete er von ihr?
»Ich will nicht, dass du ihr eine Karte schreibst. Ich will, dass du sie anrufst. Ich will, dass du sie besuchen gehst.«
»Ich habe kein Problem damit, mich mit Sandi zu treffen. Das weißt du doch.«
»Du hast nur ein Problem mit meinem Cousin.«
Mein
Cousin,
mein
Kumpel,
mein
Harry. »Ja, mit deinem Cousin habe ich ein Problem.«
»Kannst du ihm nicht einfach verzeihen?«
»Dafür, dass er das Kind meiner besten Freundin geschlagen hat? Und das auch noch bei mir zu Hause? Nein, das werde ich ihm nicht verzeihen.«
»Hugo hat es verdient.«
»Hugo ist ein Kind. Dein Cousin ist ein erwachsener Mann, könnte man jedenfalls meinen.«
»
Könnte man jedenfalls meinen
.« Wieder äffte er sie nach. Aishasah, wie zwei Paare zögernd das Restaurant betraten. Eine der Frauen hatte ein Baby auf dem Arm, und einer der Männer hielt ein Kleinkind an der Hand. Eine Kellnerin kam auf sie zu. Zum ersten Mal an diesem Abend nahm Aisha die Welt direkt um sich herum wahr. Sie sah Bewegung in der Küche, das Flackern eines Fernsehers. Sie wusste, dass Hector sie ansah, aber das war ihr egal. Erst als sie nach ihrem Bier griff, erwiderte sie seinen Blick.
»Der Junge ist schrecklich.«
»Er ist gerade vier geworden. Wie kann ein Vierjähriger schrecklich sein?«
»Weil er nicht erzogen wurde, weil man ihm nicht beigebracht hat, Respekt vor anderen Menschen zu haben. Er ist ein schreckliches Kind, und als Erwachsener wird er ein richtiges Arschloch sein.«
Die beiden Paare waren Franzosen. Wie Aisha feststellte, wechselte die Kellnerin mühelos die Sprache.
»Zumindest war Harry so anständig, sich bei
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