Nur eine Ohrfeige (German Edition)
waren die Ängste einer jungen Frau, die sie nicht mehr war. Tracey hatte für ihren ersten Tag einen Kuchen gebacken, und sogar Connie kam nach der Schule mit dem Fahrrad zum Mittagessen vorbei. Sie verteilte die Mitbringsel, die sie an den Ständen und auf den Märkten von Ubud und Bangkok für sie gekauft hatte. Gegen Ende des Tages, als sie sich kurz vom prall gefüllten Terminkalender des Nachmittags erholte – ihre Stammpatienten hatten sie für die ganze Woche in Beschlag genommen –, kam Brendan mit einem Krankenbericht und Blutwerten aus dem Labor herein. Aisha überflog sie und sah auf den Namen. Sie kannte das Tier, ein etwas täppischer, traurig guckender Schäferhund namens Zeus. Der Befund war ziemlich eindeutig. Brendan hatte zwei Knoten am rechten Vorderbein entfernt, die sich als bösartig herausgestellt hatten. Aber auch die Blutwerte waren auffällig. Sietippte auf Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es war Brendans Fall, doch auch sie hatte Zeus schon mal behandelt und sich Sorgen gemacht, als das Tier wegen wiederkehrender Bauchschmerzen und Erbrechen in die Praxis gekommen war. Die Besitzer waren nette Leute, Griechen, Rentner. Sie liebten den Hund, aber so, wie man es in ihrer Heimat tat, nicht als Teil der Familie. Zeus’ Aufgabe war es, sie und das Haus zu beschützen.
»Soll ich ihn zur Amputation anmelden und jemanden zum Ultraschall holen?«
Er war ein guter Hund, der allerdings auch ein stolzes Alter erreicht hatte. Man hätte die Besitzer zu weiteren Tests überreden können, die Prognose war jedoch nicht gut.
Sie gab ihm die Untersuchungsberichte zurück und schüttelte den Kopf. »Das können die sich nicht leisten, und die Kosten können schnell noch mehr werden. Ich denke, wir sollten ihn einschläfern.«
»Ich hab dich vermisst.«
Sie war überrascht und errötete. Sie arbeiteten gut zusammen, wenngleich auf einer eher nüchternen Basis.
»Ich hab dich auch vermisst«, antwortete sie. »Ich hab die Praxis vermisst, ich hab mein Zuhause vermisst.«
Und das stimmte. Sie hatte niemanden Bestimmtes vermisst – außer ihre Kinder, und sogar da weniger ihren Sohn oder ihre Tochter, sondern einfach nur ihre Kinder. Sie war froh über die Art, wie ihr Leben aussah und ablief. Familie, Arbeit, Freunde. Brendan war ein toller Kollege, smart, fähig, sie konnte die Praxis ohne Probleme für zwei Wochen in seine Obhut geben. Sie genoss die Arbeit, die manchmal etwas zickige, aber aufrichtige Freundschaft zu Anouk, die Zankereien und Dummheiten ihrer Kinder – jedenfalls meistens –, und sie genoss es, dreimal die Woche achtzig Bahnen zu schwimmen und mit einem Mann verheiratet zu sein, nach dem die Frauen sich umdrehten. All das genoss sie. Sie hatte ein schönes Leben.
Trotzdem hatte sich etwas verändert. Am ersten Freitag kam sieziemlich ausgelaugt und mit leichten Schmerzen an den Schläfen nach Hause. Der Tag war prall gefüllt mit Terminen gewesen, gereizte, anstrengende Klienten. Das gab es immer wieder mal, Tage, an denen alles nervte. Hector hatte eine Nachricht hinterlassen, er säße in der Kneipe in der Nähe seiner Arbeit, und ob sie die Kinder von seinen Eltern abholen könnte. Er schickte ihr einen Kuss, gefolgt von einem schuldbewussten
Ich liebe dich, zum Essen bin ich zu Hause
. Kochen musste natürlich sie. Sie klappte das Handy zu und fluchte. Verdammter Scheißkerl!
In Asien hatte sich etwas verändert. Und diese Veränderung hatte mehr mit Hector zu tun als mit ihr selbst. Für sie war es irgendwann selbstverständlich geworden, dass die Ehe eine Art Neutralitätsabkommen zwischen Hector und ihr darstellte, dass sie sämtliche Übereinkünfte getroffen und die Konkurrenzkämpfe hinter sich hatten. Natürlich konnte immer etwas dazwischenkommen, Krankheiten, Tragödien, all das war immer noch möglich. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sich an den Grundfesten ihrer Ehe etwas ändern würde. Sie hatte ihren Mann nie in Frage gestellt. Sie wollte, dass er so blieb, wie er war, charmant und attraktiv. Sie wollte, dass er zufrieden war, mit ihr, mit den Kindern, mit seiner Arbeit. Die langen Nächte in Ubud und Amed voller Tränen und Geständnisse hatten sie letztendlich nicht weitergebracht.
Ein paar Abende zuvor hatte Hector ihr zu ihrem Schrecken erzählt, er habe vor, aus dem öffentlichen Dienst auszutreten, sich einen neuen Job zu suchen, etwas Neues auszuprobieren. Er wollte wieder studieren. Sie hatte ihm gut zugeredet und nicht gewagt zu fragen: Was
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