Nur eine Ohrfeige (German Edition)
von Bier, Speiseöl und abgestandenem Rauch und versuchte das unablässige
Kling, Klang, Klong
der Spielautomaten auszublenden. Irgendetwas musste er finden, und zwar bevor sein Vater von der Toilette zurückkam. Seine Mutter,
Six Feet Under
, Nick Cercic, Connie. Nur noch eine Sache. Er trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tisch. Die Brust schnürte sich ihm zusammen, er brauchte seinen Inhalator. Du verdammter Idiot, sagte er sich, bleib ruhig. Vor ihm lag sein halbaufgegessenes Hühnchenschnitzel in geronnenem Fett. So konnte er sich unmöglich konzentrieren. Nicht bei dem Trommelfeuer der Spielautomaten, und vor allem nicht, wenn dann noch auf dem Plasmabildschirm über dem Tresen ein Video von Delta Goodrem lief. Er hasste Delta Goodrem.Er wünschte, sie wäre an Krebs gestorben. Seine Mutter,
Six Feet Under
, Nick Cercic, Connie und … und … Sein Vater kam zurück. Er musste sich entscheiden. Jetzt. Sein Vater setzte sich und sah ihn mit seinem dämlichen Grinsen an, das so viel besagte wie:
Wenn du willst, können wir auch gehen
.
Sein Vater rülpste. Es roch nach Bier, Zigarettenrauch und Tomatensoße.
Fünf. Sollte er jemals so werden wie sein Vater, würde er sich umbringen. Fünf. Langsam atmete Richie aus. Er hatte keinen Asthmaanfall, er brauchte den Inhalator nicht. Erleichtert sank er auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Mutter,
Six Feet Under
, Nick Cercic, Connie und dass er sich umbringen würde, sollte er so enden wie Craig Hillis, der ihm gegenübersaß. Das waren die einzigen Gewissheiten, die er brauchte.
»Hast du keinen Hunger?«
Richie schüttelte den Kopf. Er tat so, als müsste er gähnen. Er wusste, dass sein Vater das nicht ausstehen konnte.
»Hat es dir nicht geschmeckt?«
»War okay.«
»Das Essen ist ziemlich gut hier.«
Richie versank noch tiefer in seinem Stuhl und schaute an die Decke. Der Laden war eine schäbige Spielautomatenkneipe am Arsch der Welt, mitten in Prolltown. Die Straßen sahen alle gleich aus, genauso wie die Häuser und die Menschen. Hier kam man her, um zu sterben. Überall nur Zombies. Er hörte sie auf den Automaten herumdrücken.
»Dir schmeckt es wohl nicht.«
»Ich hab doch gesagt, es war okay.«
Sein Vater zeigte auf die leeren Gläser auf den Tisch. »Willst du noch ein Bier?«
Richie nickte.
Sein Vater stürzte zur Bar und fiel fast auf die Nase. Sie waren beide froh über jeden Vorwand, nicht zusammen sein zu müssen. Richie sah, wie sein Vater das vollbusige junge Mädchen hinterdem Tresen anlächelte. Auf ihrem Tanktop stand I ♥NY, aber wenn man näher hinsah, bestand das ♥ aus kleinen roten Buchstaben und den Worten
Haven’t been to
. Sein Vater fand das cool und lustig, wie er ihm bei ihrer ersten Bestellung mitgeteilt hatte. Richie hätte sich am liebsten ein Messer in die Kehle gerammt. Das Mädchen zapfte ihnen ihr Bier. Sein Vater drehte sich um und zwinkerte ihm zu. Er tat so, als hätte er es nicht bemerkt. Sein Vater trug immer Jeans, die zwei Nummern zu klein aussahen. Was keine gute Idee war. Wie seine Mutter so schön sagte, hatte Craig Hillis keinen Arsch in der Hose.
»Hier.« Mit gequältem Lächeln stieß sein Vater mit ihm an. Richie leerte fast das halbe Glas in einem Zug. Warum auch nicht? Die Schule war vorbei, er saß mit seinem Zombie-Vater im Land der lebenden Toten, und in ein paar Wochen war er volljährig. Was sprach dagegen, sich so schnell wie möglich zu betrinken?
Es war mindestens acht Monate her, dass er seinen Vater zum letzten Mal gesehen hatte. Gemessen an ihrer gemeinsamen Vergangenheit war das gar nicht mal so schlecht. Er war sieben Jahre alt gewesen, als er ihn kennengelernt hatte. Damals hatte er sich vor allem gewünscht, jemanden zu haben, den er Dad nennen konnte. Er hatte gehofft, ihn lieben zu können. Seine Großmutter, Craigs Mutter, hatte das Treffen arrangiert, sie hatte immer Kontakt zu Tracey und Richie gehalten und ihren Sohn schließlich gezwungen, sich seiner Verantwortung zu stellen. Das fand Richie allerdings erst viel später heraus. Als er noch ein kleiner Junge war, hatte seine Mutter ihm nichts davon erzählt, wie sie vor Gericht ziehen musste, um von Craig Unterhalt zu bekommen. Richie wusste nur, dass sein Vater LKW-Fahrer war und ganz weit weg wohnte. Mit sieben hatte er ihn dann kennengelernt. Craig war mit ihm zu einem Footballspiel gegangen. Schon damals beschlich Richie das Gefühl, es könne nicht gut um das Wohl der
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