Nur eine Ohrfeige (German Edition)
woher er diese Ausdrucksweise hatte. Von Rosie? Aus der Kita? Oder erzählten sie einem so etwas im Fernsehen?
»Ganz richtig, Schatz, da hast du vollkommen recht.« Rosie küsste ihn auf die Stirn.
Und was war, wenn er jemanden trat oder ein anderes Kind schlug? Wer gab ihm dazu die Erlaubnis?
»Genau, Hugo.« Connie nickte zustimmend. »Dazu hat niemand das Recht.«
Sie war noch so jung. Es störte ihn plötzlich.
»Gary ist abfahrbereit.«
Rosie holte ihre Handtasche vom Bett, nahm Hugo und ging an Hector vorbei nach draußen. Sie wechselten kein Wort.
Hector schloss die Tür. Connie und er waren allein. Er wollte nett zu ihr sein, wusste aber nicht, wie er es anstellen sollte.
»Wir dürfen uns nicht mehr sehen. Nicht mehr so wie bisher jedenfalls. Verstehst du das?«
Sie sah weg. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Was für ein Arschloch muss man sein, um ein Kind zu schlagen?«
Was hatte er nur aufs Spiel gesetzt? Er sah jetzt vollkommen klar. Er wollte, dass sie das Zimmer verließ, dass sie das Haus verließ. Er wollte, dass sie aus seinem Leben verschwand.
»Verstehst du das?«, fragte er jetzt leiser.
»Klar.« Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen.
»Du bist etwas ganz Besonderes, Connie. Aber ich liebe Aisha, ich liebe sie wirklich.«
Sie fing an zu zittern. »Ich doch auch. Weißt du das denn nicht? Ich finde es schlimm, was wir ihr antun.« Sie rang nach Atem. »Es ist … Es ist widerwärtig.«
Sie war so jung, alles wirkte irgendwie übertrieben. Am liebsten hätte er sie rausgeworfen. Sie war noch ein Kind.
»Es tut mir leid.«
Wirst du es für dich behalten? Das war die Angst, mit der er seit Monaten lebte, die bei allem Kitzel unterschwellig immer da war. Er hatte sich die Schmach schon ausgemalt – Polizei, Scheidung, Gefängnis, Selbstmord.
Sie erriet seine Gedanken. »Niemand weiß davon.«
»Es tut mir leid«, wiederholte er.
Sie sah ihn immer noch nicht an. Stattdessen wippte ihr Fuß auf und ab, und sie kaute auf einer Locke herum. Was war sie doch für ein Kind.
Sie sagte etwas, aber so leise, dass er es nicht hören konnte.
»Was?«
Diesmal warf sie ihm einen giftigen Blick zu. »Ich habe gesagt, dass du hässliche Arme hast, sie sind so behaart. Du siehst aus wie ein Gorilla.«
Es war erschütternd und gleichzeitig zum Lachen. Er setzte sich neben sie aufs Bett, ohne sie zu berühren. »Connie, im Grunde ist gar nichts passiert.«
Sie zuckte zusammen. Ihr billiges, übertrieben süßliches Parfüm kitzelte in seiner Nase. Ein typisches Mädchen-Parfüm. Er wünschte, er könnte sie berühren, ihr übers Haar streichen, sie ein letztes Mal küssen. Aber er verspürte keinerlei Zuneigung mehr für sie. Jede Berührung zwischen ihnen wäre unangenehm gewesen. Er sah in den Spiegel und erblickte einen Mann, der neben einem Kind auf dem Bett saß. Ihr Blick war flehend, gequält, und fast gegen seinen Willen, weil er ihr nicht länger wehtun wollte, schüttelte er den Kopf.
Connie sprang vom Bett hoch, riss die Tür auf und rannte weg. Er blieb noch einen Moment sitzen und genoss das Gefühl der Befreiung. Er hatte es tatsächlich geschafft. Er schloss die Tür hinter ihr und setzte sich zurück aufs Bett. Seine Brust schmerzte, etwas drückte auf seine Lunge. Er versuchte, Luft zu holen, aber es ging nicht. Kein Grund zur Panik, das war kein Herzinfarkt, nein, auf keinen Fall, er brauchte nur zu atmen. Der verdammte Hals, er bekam keine Luft. Schweißüberströmt versuchte er, sein Spiegelbild zu erkennen, aber er war nicht da. Wo war er? Wo zum Teufel war er?
Keuchend landete er auf dem Boden, kauerte sich krampfhaft zusammen und saugte dabei das kostbare Leben in seine Lungen. Er wischte sich mit dem Taschentuch übers Gesicht, und plötzlich konnte er sich wieder im Spiegel sehen. Er war bleich, die Augen rot. Er sah aufgedunsen, grau und alt aus. Er weinte. Rotz tropfte ihm aus der Nase, Tränen liefen ihm über die Wangen. Seit seiner Kindheit hatte er nicht mehr geweint. Er rieb sich die Brust. Ich werde mich ändern, schwor er sich. Ich werde mich ändern.
Als Hector wieder nach draußen kam, war nur noch Richie im Garten. Er saß immer noch auf einem Ast im Feigenbaum. Gary, Rosie und Hugo waren schon weg. Alle anderen sammelten wortlos ihre Sachen ein und murmelten verhaltene Abschiedsworte. Er fragte Leanna, Dedjan und Ari, was sie jetzt vorhatten. Sie wollten noch etwas trinken gehen, in einer Bar in der High Street, vielleicht auch tanzen. Er
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