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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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liebsten hätte er ihr alles gestanden, dass er sie betrogen hatte und sie ihm fast gleichgültig geworden war. Er wollte es ihr gestehen, weil er sich jetzt, in diesem Moment, seiner Liebe zu ihr so sicher war, zu all dem, was sie zusammen hatten. Die Kinder, das Haus, der Garten, das immer noch bequeme Doppelbett, das in der Mitte durchhing, nachdem ihre Körper jahrelang im Schlaf zusammengerutscht waren, er seine Arme um sie geschlungen und sich erst bewegt hatte, wenn sie ihn angestupst hatte, damit er sich umdrehte und aufhörte zu schnarchen. Er konnte sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Er spürte ein Ziehen in der Brust und ballte die Fäuste. Sie sollte nicht sehen, dass er Angst hatte.
    »Ich werde nicht mehr so streng mit ihm sein. Ich werde mich ändern. Ich verspreche es dir.«

ANOUK
     
    Anouk sah in den Spiegel und lächelte schief. Die Falten um die Mundwinkel waren definitiv mehr geworden. Du wirst eitel, Mädchen, schimpfte sie. Sie spülte, machte das Licht im Bad aus und schlüpfte zurück ins Bett. Rhys protestierte im Schlaf, drehte sich dann zu ihr um und legte den Arm um sie. Er fühlte sich warm und verschwitzt an. Anouk warf einen Blick auf den Wecker: 5: 55. Sie würde auf keinen Fall mehr einschlafen. Sie küsste Rhys’ Arm, fuhr mit den Lippen über das borstige Haar und die weiche, jungenhafte Haut, die nach Salz schmeckte, und glitt unter ihm weg.
    »Alles okay?«, murmelte er.
    »Ja.«
    Kurz darauf übergab sie sich in die Kloschüssel. Als sie den Kopf hob, sah sie Rhys’ besorgte Miene. Er hielt die Hand schützend vor die Genitalien. Sie zeigte auf das Handtuch. Er bückte sich und wischte ihr den Mund ab. Wie nett von ihm, dachte sie dankbar, und dann, gleich darauf, leicht amüsiert: Er muss ganz schön verliebt sein.
    Sie stand auf und küsste ihn sanft auf die Augenbrauen. »Alles in Ordnung.«
    Seine grünen Augen blickten immer noch beunruhigt.
    »Rhys, keine Angst. Es ist nur eine leichte Magen-Darm-Grippe.«
    »Bleib heute zu Hause«, gähnte er.
    »Schön wär’s.«
    »Komm schon. Ich bleibe auch hier.« Er pinkelte ins Klo. Sie hatte das Erbrochene noch nicht weggespült und fand es eklig, dass ihn das nicht störte. Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, ihn zu verletzen, ihm zu sagen, das Letzte, was sie an einem freien Tag machen wolle, sei, ihn mit jemand anderem zu verbringen. Sie riebsich über den Bauch und betrachtete den festen Hintern ihres Geliebten, seinen elegant geschwungenen Rücken. Wahrscheinlich wurden jeden Morgen Hunderte von Frauen, die halb so alt waren wie sie, unsanft aus ihren Träumen gerissen, weil sie an Rhys dachten. Vielleicht Tausende. Und manche von ihnen kratzten ihr sicher gern die Augen aus, hätten sie gewusst, wie sie ihr Idol behandelte.
    Rhys drückte die Spülung und drehte sich lächelnd zu ihr um.
    »Du bist echt eklig.«
    Er kratzte sich an den Eiern und ignorierte sie. Sie schob ihn aus dem Badezimmer. Was sie jetzt brauchte, war warmes Wasser auf Kopf und Schultern, sie wollte allein sein. Sie duschte ausgiebig. Danach fühlte sie sich besser. Sie hatte das Gefühl, wieder sie selbst zu sein.
     
    Obwohl sie an diesem Morgen beide ins Studio mussten, nahm Rhys den Wagen und Anouk die Straßenbahn. Sie fuhr lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln, weil sie dann lesen oder sich Notizen machen konnte oder einfach Zeit für sich hatte. Rhys argumentierte dagegen, sein Gesicht sei zu bekannt, als dass er mit der Bahn fahren könne. Sie fand das in erster Linie affektiert. Sicherlich konnten kichernde Schulmädchen nervig sein, aber Rhys’ exklusives Rockabilly-Outfit war weit genug entfernt vom Surfer-Style seines Alter Egos, um eine gewisse Anonymität zu wahren – vor allem in Verbindung mit seiner überdimensionalen Sonnenbrille und der muffig riechenden
Bombers -Mütze
. Abgesehen davon zog sie ihn gern damit auf, dass die meisten Leute, die morgens zur Arbeit fuhren, sich nicht im Geringsten für einen Serienstar interessierten. Dann musste er grinsen, blieb aber dabei, dass sie keine Ahnung habe, wie peinlich es sei, dauernd angesprochen oder, noch schlimmer, erniedrigt zu werden. Irgendwann musste sie zugeben, dass es vielleicht doch nicht nur Affektiertheit war. Als sie sich das erste Mal getroffen hatten, war ein Betrunkener in einer Bar auf sie zugekommen und hatte Rhys stümperhaftins Gesicht geschlagen. »Scheiß Serienschwuchtel«, hatte er zur Begründung gebrüllt, als die Türsteher auf sie

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