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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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und zu früh dran. Ihre Hand zitterte, als sie an ihrer Zigarette zog. Sie war regelrecht beschwingt aus dem Meeting gegangen. Sie hatte nicht die Beherrschung verloren, und es hatte den Mistkerl verunsichert, dass er sie nicht einschüchtern konnte. Ihre Kollegen hatten ihr danach gratuliert, dass sie ihm die Stirn geboten hatte. Aber das Gefühl des Triumphs dauerte nicht lange an. Sie war zwar einigermaßen draufgängerisch gewesen, aber nicht wirklich mutig. Mutig wäre es gewesen, ihm ins Gesicht zu sagen, was sie tatsächlich über ihn dachte, für wie faul, primitiv und inkompetent sie ihn hielt, und wie sehr sie diese schwachsinnige Serie verachtete. Ihre Hand zitterte, weil sie sich wieder einmal mit ihrer eigenen Schwäche konfrontiert sah. Sie fingerte an ihrem Armband herum, eine Spirale aus Kupfer und Silber, das sie in der Nähe von Split gekauft hatte, als sie an der Entwicklung der kroatischen Version der Serie mitgearbeitet hatte. Sie sah runter auf ihre eleganten Ledersandalen, die sie in Mailand gekauft hatte, als sie in Zagreb gearbeitet und das Wochenende frei gehabt hatte. Ihr war klar, dass das, was sie schrieb, stumpfsinnig und infantil war. Ihr war klar, dass sie nichts anderes tat, als die Dummheit in der Welt zu vermehren. Aber sie liebte ihre Schuhe, ihren Schmuck und ihre Wohnung, von der man einen Blick über die Bucht auf die Melbourner Skyline hatte. Sie liebte das Geld. Und heute Abend,wenn sie an ihrem Buch hätte arbeiten können, würde sie stattdessen das Skript neu schreiben. Sie rief ihren Arzt an, um einen Termin für den nächsten Morgen zu machen, rief in der Bibliothek an, um ihre Bücher zu verlängern, und trank gerade ihren zweiten Martini, als Aisha reinkam.
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Ich hasse meinen Job.«
    »Aber dein Gehaltsscheck gefällt dir.«
    Während Aisha an die Bar ging, um sich einen Weißwein zu bestellen, musste Anouk schmunzeln. Die Freundschaft zu dieser Frau bedeutete ihr so viel, weil sie sich so gut kannten. Aisha kannte Anouk schon lange bevor aus ihr eine erfolgreiche, selbstbewusste Frau wurde. Als Anouk noch das linkische jüdische Mädchen mit dem vollgekotzten, zu engen roten Kleid auf dem Highschool-Abschlussball war.
    Aisha kam mit dem Wein zurück und setzte sich.
    »Trotzdem hasse ich meinen Job.«
    »Rosie und Gary haben die Polizei eingeschaltet.«
    Anouk hatte erst keine Ahnung, wovon ihre Freundin sprach. Dann fiel ihr das Barbecue ein, und sie stöhnte.
    »Du machst Witze, oder?«
    »Harry hat ihren Sohn geschlagen.«
    »Dafür hat er eine Medaille verdient.«
    »Hugo ist noch ein Kind, Anouk.«
    »Er ist ein Monster. Ich hasse dieses blöde Kind.«
    Aisha sah Anouk ungläubig an. Anouk holte tief Luft, sie wollte sich nicht streiten, aber das war wahrscheinlich unvermeidbar, wenn es um Rosie ging. Sie waren alle drei seit ihrer Teenagerzeit in Perth befreundet, doch es war eine ungleiche Freundschaft gewesen. Aisha hatte sie beide gern, doch die Wahrheit sah nun mal so aus, dass Anouk und Rosie nicht mehr viel füreinander übrighatten. Das würde Rosie natürlich nie zugeben – in ihrem Leben war kein Platz für Dunkelheit und Chaos. Rosie war immer mehr für das Helle zu haben, das Gute und das Positive. Auf diese Weisemusste sie sich nie ihrer eigenen Boshaftigkeit stellen, sie konnte immer das Opfer sein. Anouk dachte an Harry, diesen kernigen Freund klarer Worte, der Hugo geohrfeigt hatte. Sie wusste so gut wie nichts über ihn, außer dass er einen relativ anständigen, gutmütigen Eindruck machte und wahrscheinlich unerträglich langweilig und bürgerlich war, obwohl ihn noch der Hauch einer ehemals gefährlichen Virilität umwehte. Er war definitiv männlicher als Rosies Gary. Anouk mochte auch seine charmante, unprätentiöse Frau und seinen gut aussehenden Sohn. Harry war wahrscheinlich ziemlich zufrieden mit seinem Leben. Und jetzt kam ihre gedankenlose Freundin, zweifellos angestachelt von ihrem Mann, diesem verbitterten Alkoholiker, und wollte dieses Leben kaputtmachen. Sie atmete langsam aus und wartete darauf, dass Aisha etwas sagte.
    »Hector ist sauer auf mich. Er denkt, ich falle seinem Cousin in den Rücken.«
    »Warum, was hast du getan?«
    »Er ist manchmal so unglaublich griechisch.«
    »Weich nicht aus.«
    »Rosie will, dass ich aussage.«
    Anouk explodierte. Es war, als hätte die Anspannung des gesamten Tages ein Ventil in ihrer Verachtung für Rosie gefunden. Nein, es war mehr als das: Sie war wütend, dass

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