Nur eine Ohrfeige (German Edition)
ihre Freundin dank der selbstgerechten Launen eines unselbständigen Menschen wie Rosie womöglich einen großen Fehler beging.
»Halt dich da raus.« Sie ließ Aisha gar nicht erst zu Wort kommen. »Sonst versaust du es dir nicht nur mit Hector, sondern unterstützt auch noch Rosie und Gary in ihrer Paranoia. Hugo ist ein hoffnungsloser Fall. Er kennt keine Grenzen. Wenn sie sich aufführen will wie eine Hippie-Mutter, soll sie das tun, aber Hugo ist kein Baby mehr und muss lernen, mit Konsequenzen umzugehen. Was am Samstag passiert ist, war gut.«
Aisha blieb ganz ruhig. »Er hat ein Kind geschlagen. Soll das keine Konsequenzen haben?«
»Er hat sein eigenes Kind verteidigt.«
»Rocco ist doppelt so groß wie Hugo.«
»Aisha, halt dich da raus.«
»Ich kann mich nicht raushalten. Es war bei uns zu Hause.«
Anouk verdrehte die Augen. »Und was sagt Hector dazu?«
Aisha schwieg. Sie fuhr mit den Fingern über den Rand ihres Weinglases.
Anouk lächelte. »Er ist meiner Meinung, hab ich recht?«
Ihre Freundin winkte genervt ab. Anouks Wut hatte sich gelegt. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass der Grund dafür Aishas Vater war. Mr. Pateers rundliches Gesicht war freundlich, herzlich, aber definitiv indisch und damit das eines Ausländers, wohingegen sie in ihrer engsten Freundin immer nur die Australierin gesehen hatte. In ihren Augen war sie vor allem die Tochter ihrer englischen Mutter. Aber wenn sie Aisha jetzt ansah, erkannte sie doch auch Züge ihres Vaters in ihrem angespannten, stolzen Gesicht. Wir werden alt, meine Liebe, wir werden alt. Und damit wichen die Wut und der Frust, die sie empfand, einem Gefühl von Zärtlichkeit. Aisha würde Rosie immer in Schutz nehmen, es war Teil ihres Charakters, sich um die Schwachen und Hilflosen zu kümmern. Daher auch ihr Interesse für Tiere. Und trotzdem hatte sie so gut wie nichts Sentimentales an sich. Aishas Nächstenliebe wurde von einer knallharten, objektiven Intelligenz relativiert. Deswegen war sie eine so gute Tierärztin.
Ich liebe dich, dachte Anouk und schämte sich plötzlich, weil sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Es war nur ein kurzer Moment, ein Augenblick, dann waren die Tränen wieder verschwunden.
Aishas Hand ruhte jetzt auf dem Weinglas. »Hector ist zurzeit unmöglich. Er hat wieder aufgehört zu rauchen.«
Anouk nahm eine Zigarette und zündete sie an.
Aisha lachte. »Du hörst wohl nie auf, was?«
»Nein. Will ich auch gar nicht.«
»Hector auch nicht. Er tut es für mich. Aber er hasst mich dafür.«
Diesmal musste Anouk lachen. »Also bitte. Hector hasst dich doch nicht.«
»Im Moment, glaube ich, schon«, sagte sie zögernd.
Anouk merkte, dass Aisha aufgewühlt war, dass ihr die Geschichte zusetzte. »Gib ihm einen Monat. Lass ihn einen Monat lang ein Arschloch sein, dann lässt das Verlangen nach, und er hat das Schlimmste überstanden. Ignorier ihn einfach so lange.«
»Es hat nichts mit dem Rauchen zu tun. Es ist wegen der Sache mit Hugo. Scheiße!« Aisha kippte ihren Wein runter und stand auf, um einen neuen zu bestellen. »Es liegt an seiner Mutter. Sie ist sauer auf mich, weil ich hinter Rosie stehe, und Hector nimmt mich natürlich nicht in Schutz.« Sie klang sarkastisch und verbittert, und während Anouk darauf wartete, dass Aisha von der Bar zurückkam, merkte sie, wie sie selbst wieder wütend wurde. Es liegt verdammt nochmal nicht an seiner Mutter, es liegt an dir, weil du dich bedingungslos auf Rosies Seite stellst und dich dann ärgerst, wenn wir uns nicht alle ein Bein ausreißen, um dir beizustehen. Natürlich ist Hector wütend, natürlich sind seine Eltern nicht begeistert, wenn du in der Familie Unruhe stiftest. Du bist es, die Rosie nicht in Schutz nehmen sollte.
»Du bist unfair.«
Ihre Augen blitzten, als sie sich setzte.
»Wem gegenüber?«
»Hector.«
Eine Weile saßen sie schweigend da. Anouk sah, dass ihre Freundin nachdachte, wie sie Für und Wider und die verschiedenen Positionen abwägte. So funktionierte Aisha. Sie führte Listen, sie war organisiert.
Anouk rauchte in Ruhe ihre Zigarette und wartete.
Aisha seufzte. »Ich werde Rosie erklären, dass ich gefühlsmäßig auf ihrer Seite stehe, aber nicht offiziell als Zeugin aussagen kann. Ich würde mich damit gegen Hector und seine Familie stellen. Das muss sie verstehen.«
Verstehen würde sie es nicht. Aber sie würde so tun als ob.
»Das tut sie bestimmt.«
Es war eine gute Entscheidung. Jetzt konnten sie sich entspannt Klatsch
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