Nur eine Ohrfeige (German Edition)
dann war sie es, die sich plötzlich aufsetzte und den Ton ausschaltete.
»Und, hast du?«
Er stöhnte.
»Mach ich morgen.«
Er sah sie misstrauisch an. Sandi fing selten eine Diskussion mit ihm an. Schon als sie sich kennenlernten, hatte sie festgestellt, dass er auf direkte Konfrontation mit unnachgiebiger Starrköpfigkeit reagierte. Sie nickte ernst.
»Dann rufe ich ihn an.«
Verdammt.
»Ich rufe ihn morgen an.«
Das schien ihr nicht zu genügen.
»Ich verspreche es.«
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, sie beugte sich zu ihm rüber und küsste ihn auf den Mund. »Danke, Liebling.«
Er strich ihr mit den Fingern über den Nacken und streifte ihr das Hemd ab. Aber er war zu angespannt, sie hatte ihn mit ihrer Frage an die Arbeitswoche erinnert, die vor ihm lag, und ihn aus seiner lockeren Sonntagabendstimmung gerissen. »Tut mir leid, Schatz, ich bin zu müde.«
Sandi rückte von ihm ab und zog sich das Hemd wieder über die Schultern.
Er küsste sie auf die Stirn, und sie schaltete den Ton wieder an und legte den Kopf zurück in seinen Schoß. Aber er war jetzt zu aufgewühlt, um still zu sitzen. Er stand vorsichtig auf, legte ihr ein Kissen unter den Kopf und ging zum Kühlschrank, um sich ein Bier zu holen. Er lief durchs Haus und blieb vor Roccos Schlafzimmer stehen. Der Junge lag zusammengerollt in sein weißes Laken gewickelt und schnarchte leise. Es war immer noch heiß, lediglich eine ganz leichte Brise wehte ab und an vom Meer herüber. Harry betrachtete das Marienbild über seinem Bett und bekreuzigte sich.Danke,
Panagia
, flüsterte er. Ursprünglich hatte es so ausgesehen, als würden Sandi und er nie Kinder haben können. Sie hatte Empfängnisprobleme, und die ersten drei Schwangerschaften endeten mit einer schmerzhaften Fehlgeburt. Als er daran dachte, was seine Frau durchgemacht hatte, verzog Harry das Gesicht und bekräftigte noch einmal das Versprechen, das er Gott gegeben hatte: sie zu beschützen und immer zu lieben. Und als er seinen schlafenden Sohn ansah, war er dankbar für das Zuhause und die Familie, die sie zusammen gegründet hatten.
Und diese Schlampe wollte das alles kaputtmachen. Er wusste nicht, wen er mehr hassen sollte: die hysterische Mutter, die ihn voll unverhohlener Verachtung angefaucht hatte, den betrunkenen, verweichlichten Vater oder das quengelnde kleine Mistvieh, das er geohrfeigt hatte. Er wünschte, sie wären alle drei tot. Scheiß auf den Anwalt. Hätte er wirklich Eier, würde er seine Flinte nehmen und jedem von ihnen eine Kugel in den Kopf jagen. Er kannte diese Leute – Schmarotzer, Jammerer, Nörgler, Opfer. Das waren die Kunden, die jedes Mal rumdrucksten und möglichst wenig Geld ausgeben wollten, und wenn es ans Zahlen ging, hatten sie keinen Cent auf dem Konto. Es war alles für Dope, Zigaretten oder Schnaps draufgegangen, oder mit welchem Dreck auch immer sie ihr erbärmliches Leben ausfüllten. Diesen Abschaum sollte man von Geburt an sterilisieren. Er hätte den Jungen nicht ohrfeigen sollen, er hätte ihm den Schläger abnehmen und dem kleinen Scheißer den Schädel damit einschlagen sollen, bis nur noch ein blutiger Klumpen Brei übrig war. Fast konnte er das Blut riechen, sah die hervorstehenden Knochen und zerquetschten Muskeln in seinem Gesicht. Zum ersten Mal, seit Sandi den Anwalt zur Sprache gebracht hatte, wurde er ruhig. Er nahm einen Schluck Bier und ging zurück ins Wohnzimmer. Sandi war fast eingeschlafen. Er machte den Fernseher aus und hob seine Frau hoch.
»Schlafenszeit«, flüsterte er.
Als sie beide um sechs aufwachten, lief er direkt runter zum Strand. Er versuchte, jeden Morgen schwimmen zu gehen, auch im Winter, aber wenn das Wasser zu kalt war, begnügte er sich mit einem ausgedehnten Spaziergang entlang der Bucht. An diesem Morgen war der Himmel klar und das Meer ruhig, der erste Sprung ins Wasser fühlte sich an wie ein Schlag in die Eier, aber schon nach ein paar kräftigen Zügen spürte er die Kälte nicht mehr. Rocco schlief noch, als er zurückkam, und Sandi hatte irgendeine beknackte Hippie-Musik aufgelegt und machte Yoga-Übungen. Er duschte, frühstückte schnell Toast und Kaffee und ging in Roccos Zimmer. Der Junge hatte das Laken an den Bettrand gestrampelt und glänzte verschwitzt. Er roch gut, dachte Harry. Er roch unschuldig und sauber.
»Weck ihn.« Sandi stand hinter ihm und hatte die Arme um ihn gelegt. Harry sah auf die Uhr. Es war erst sieben, und Rocco hätte noch eine halbe
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