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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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zu euch konservativen alten Babyboomern.«
    Sie musste lachen. »Pass bloß auf, so alt bin ich nun auch wieder nicht. Na ja, jedenfalls glaube ich nicht, dass es stimmt, aber du kannst für alle Fälle den beiden ein Foto von dir oben ohne schenken. Oder sagt dir dein Gespür etwa, dass das Mädchen lesbisch ist?«
    Er stand auf, lachte ebenfalls und ging in die Küche. Sie hörte, wie er Kaffee aufsetzte. Sie zog die Bettdecke weg und schaute auf ihren Bauch. Er war flach, es erschien ihr unmöglich, dass darin Leben entstand. Rhys und ich wären bestimmt tolle Eltern, falls unser Kind schwul oder lesbisch würde, dachte sie und tätschelte sich den Bauch. Aber die Chancen stehen nur eins zu zehn, mein Kleines, und wenn die Kirche recht hat, sogar nur eins zu zwanzig. Das Risiko ist mir einfach zu hoch, flüsterte sie ihrem Bauch zu.
     
    Sie fuhr allein in die Praxis und auch allein wieder zurück. Der Taxifahrer war Serbe und Großvater. Er freute sich, dass sie noch ein paar Brocken Jugoslawisch aus ihrer Zeit in Zagreb konnte, und nahm ihr das Versprechen ab, eines Tages nach Belgrad zu fahren. Er war ein Gentleman, und da sie ziemlich blass und wackelig auf den Beinen war, brachte er sie bis an die Tür. Zu Hause warf sie einen Blick auf den Zettel, den ihr die Krankenschwester mitgegeben hatte und auf dem stand, was man nach einem Schwangerschaftsabbruch alles nicht tun durfte. Sie knüllte ihn zusammen und warf ihn in den Müll. Ihr fiel auf, dass sie dauernd an den Taxifahrer denken musste, den sie in der Woche zuvor beleidigt hatte. Sie zog sich aus, schlüpfte in ihren Bademantel und schaltete den Fernseher an. Sie konnte sein Gesicht nicht vergessen. Sie schaltete den Fernseher auf stumm, rief die Taxizentrale an und wartete, dass jemand ranging. Sie gab ihre Fahrtdaten an und bat um die Adresse des Fahrers. Die Frau am anderen Ende der Leitung klang streng:
    »Die können wir Ihnen nicht geben. Haben Sie sein Kennzeichen?«
    »Nein.«
    »Wollen Sie Beschwerde einreichen?«
    »Um Gottes willen, nein, ich will mich bei ihm entschuldigen. Ich fürchte, ich war ziemlich unhöflich zu ihm, ohne dass er es verdient hätte.«
    Die Stimme wurde freundlicher. »Sie waren bestimmt nicht unhöflich.«
    »Doch, ganz sicher.«
    Es gab eine kurze Pause, dann sagte die Frau, sie werde sich erkundigen und dem Fahrer ihre Entschuldigung übermitteln. Anouk machte möglichst genaue Angaben zu ihrer Fahrt – Uhrzeit, Datum, Abfahrtsort und Ziel – und fragte am Ende schüchtern: »Sorgen Sie dafür, dass er meine Entschuldigung bekommt?«
    »Ich versuche es.«
    »Soll ich Ihnen meinen Namen nennen?«
    »Nein«, erwiderte die Frau. »Den brauchen wir nicht.«
     
    Sie schlief tief und fest, und als sie aufwachte, hatte sie Kopfschmerzen und das Gefühl, als hätte ihr jemand den Unterleib aufgerissen. Der Gedanke an ein Frühstück oder eine Dusche war unerträglich. Sie schnappte sich ihre Jogginghose und T-Shirt und rief Rhys an. Sie hinterließ eine Nachricht auf seiner Mailbox, er solle abends vorbeikommen. Dann schaltete sie den Computer an, machte sich einen Kaffee und setzte sich an den Schreibtisch. Die Kündigung war schnell und effektiv geschrieben, sie brauchte gerade mal vier Zeilen, um zu sagen, was sie zu sagen hatte. Sie öffnete ein neues Word-Dokument und sah auf den Bildschirm. Der Cursor blinkte. Sie nippte an ihrem Kaffee und zündete sich eine Zigarette an. Der Cursor blinkte immer noch.
    »Tja, dann schreib mal los«, sagte sie laut.
    Also fing sie an.

HARRY
     
    Harry stand auf der Veranda, nackt bis auf die Dolce & Gabbana-Sonnenbrille und die schwarze Speedo-Badehose, und blickte auf das spiegelglatte Wasser der Port Phillip Bay. Die untergehende Sonne tauchte den Horizont in orangerotes Licht, und die Spitzen der Melbourner Wolkenkratzer erhoben sich im spätnachmittäglichen Smog. Harry glänzte von Sonnencreme und Schweiß, es war immer noch glühend heiß, und seit dem frühen Morgen hatte kein Lüftchen geweht. Er roch das Fleisch, das Sandi in der Küche brutzelte, und rieb sich voller Vorfreude den Bauch. Die Autos krochen Stoßstange an Stoßstange über die Beach Road. Leckt mich, ihr Loser. Harry lächelte. Von der gerade erst fertiggestellten Veranda hatte er einen guten Blick auf den Strand und das Wasser. Vier junge Mädchen in knappen Bikinis standen unter den Duschen. Sie waren blond und schlank, ihre Brüste aufreizend und jugendlich. Grinsend drückte er seinen Schritt gegen die

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