Nur eine Ohrfeige (German Edition)
gewesen. Bei Bullen merkte man das sofort. Er hatte versucht, höflich zu sein, hatte seinen ganzen Charme aufgeboten. Ohne Erfolg. Sie hatte Sandi getrennt befragt und ihn mit ihrem männlichen Kollegen allein gelassen. Auch er war unfreundlich gewesen, und jung, gerade mal den Polizei-Windeln entwachsen.
»Sie haben also ein Kind verprügelt?«, hatte er mit einem fiesen Grinsen gefragt, als wäre Harry ein Perverser. »Machen Sie das öfter?«
Harry hätte ihn am liebsten umgebracht. Stattdessen hatte er es mit einem Lachen abgetan, wie einen Witz. Das Bullen-Arschloch hatte jedoch nicht mitgelacht, weshalb Harry sich noch mehr gedemütigt fühlte. Später erzählte Sandi ihm, dass die Frau sie dazu bringen wollte auszusagen, er sei jähzornig und würde auch sieund Rocco schlagen. Sandi habe ihr höflich erklärt, ihr Mann sei weder gewalttätig noch aggressiv, und dass er das Kind nur geohrfeigt habe, weil er Angst gehabt hatte, dass Hugo Rocco wehtun würde. Na sicher, er ist ein Heiliger, nicht wahr?, hatte die Polizistin gespottet. Sandi kräuselte angewidert die Lippen, als sie Harry davon erzählte. Dann grinste sie plötzlich verschmitzt. Ich habe sie gefragt, ob sie Kinder hat, berichtete sie Harry. Natürlich hatte sie keine. Das hat sie zum Schweigen gebracht. Nein, das war es nicht, dachte Harry, was sie zum Schweigen gebracht hat, war Rocco. Weil es nämlich für jeden, selbst für ein noch so unterbelichtetes Bullenschwein offensichtlich war, dass Rocco ein wundervoller, gesunder, normaler, guter Junge war. Danke, Gott, dass er normal ist, danke,
Panagia
, dass er ein guter Junge ist. Das war es, was sie zum Schweigen gebracht hatte.
»Diese Geschichte kommt auf keinen Fall in die Nachrichten.«
»Ach ja?«
»Warum sollte sie?«
»Weil dieser Versager, Hugos Vater, Sandi am Telefon gesagt hat, er wolle damit zu
A Current Affair
gehen.«
Andrew gluckste hämisch.
»Das ist verdammt nochmal nicht komisch.«
»Sich wegen etwas so Dummem und Lächerlichem wie
A Current Affair
Sorgen zu machen, ist komisch. Wen interessiert, was in
A Current Affair
oder irgendeiner dieser schwachsinnigen News-Shows gezeigt wird? Das sind keine Nachrichten, das sind bewegte Bilder für Volltrottel.«
»Dich interessiert es vielleicht nicht, aber unsere Nachbarn, die Eltern von Roccos Freunden, meine Angestellten, meine Tante, die interessiert das. Wir sind die Volltrottel, die diese Sendung anschauen.«
Andrew klang jetzt sanfter, fast zaghaft. »Du wirst nicht in dieser Sendung zu sehen sein. Du bist keine Story. Du bist nicht abgefuckt genug. Wenn du da reinwillst, sieh zu, dass der Junge nächstes Mal im Krankenhaus landet.«
»Du weißt, was los war, nachdem die Polizei bei uns gewesen ist. Keiner der Nachbarn spricht mehr mit uns. Sandi, Rocco und ich existieren für sie nicht mehr. Nur weil vor unserem Haus ein Polizeiwagen stand.«
»Deine Nachbarn sind die Art von Leuten, die erwarten, dass die Polizei rund um die Uhr für sie da ist, ansonsten aber nichts von ihrer Existenz wissen wollen.« Seine Stimme klang wieder knallhart. »Ich bin sicher, dass sie nicht sonderlich schockiert waren. Bestimmt haben sie nichts anderes erwartet, nachdem ihr dort eingezogen seid.«
Du sarkastischer Anwaltarsch. Ich könnte dich umlegen, ich könnte dich auf der Stelle umlegen.
»Ich versuche, dir verständlich zu machen, warum Sandi solche Angst hat, warum wir so nervös sind. Ich habe Jahre gebraucht, um dieses Haus zu bauen. Und dieses Arschloch, diese Null von einem australischen Bauern will das alles kaputtmachen. Warum muss ich vor Gericht? Kannst du nicht etwas dagegen tun? Das ist nicht fair.«
»Ist es auch nicht.« Andrew nahm seine Zigaretten und steckte sie ein. »Ich muss los. Ich ruf dich an, sobald das Schreiben vom Gericht da ist. Sag Sandi, sie soll sich wegen
A Current Affair
keine Sorgen machen. Dieser Spinner hat da wahrscheinlich stockbesoffen angerufen, und ich bezweifle, dass er weiter als bis zum Empfang durchgedrungen ist. Was eure Nachbarn betrifft, mit denen müsst ihr euch abfinden. Wenn ihr lieber nette Nachbarn gehabt hättet, hättet ihr euch nicht so ein Monstergrundstück direkt am Brighton Beach kaufen dürfen.«
Als er abends nach Hause kam, bereute er das Bier und den Wein. Den ganzen Nachmittag über hatte er sich leicht benommen gefühlt und gegen drei Uhr dumpfe, aber andauernde Kopfschmerzen bekommen. Er hatte Sanjiv, dem jungen Inder, der in Moorabbin arbeitete,
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