Nur eine Ohrfeige (German Edition)
was harte Arbeit ist? So ein Schwachsinn! Ich wusste schon sehr früh, was harte Arbeit ist, und ich habe mir geschworen, nie auf diese Weise zu arbeiten, nie meinen Körper und meinen Rücken zu ruinieren und nie so verbittert zu werden wie Dad. Na gut, ich bin verbittert geworden, aber nicht so wie Dad. Anders als unser Vater bereue ich nicht, was ich alles nicht getan habe, sondern eher das, was ich getan habe. Egal wie sehr ich also behaupte, mit dieser beschissenen Krankheit im Reinen zu sein, in Wirklichkeit kehre ich immer wieder an den Punkt zurück, wo ich sie bekommen habe, und wünschte, ich wäre nicht in dem Club gewesen, hätte den Typen nie erblickt, hätte nie diese Nadel benutzt, und vor allem, vor allem wünschte ich, ich hätte nicht weiter mit Marina geschlafen und wäre nicht so ein Feigling gewesen.
Bete für mich, Schwesterherz. Ich fürchte Gott.
Mit Connie habe ich noch nicht geredet. Sie weiß von euch in Australien und insbesondere, wie sehr ich dich anbete. Aber bitte glaub mir, wenn du dich außerstande fühlst, ihr eine Heimat zu bieten, brauchst du keine Schuldgefühle deswegen zu haben. Immerhin bist du nicht dafür verantwortlich. Das ist mir klar. Ich werde ihr nicht sagen, dass ich sterbe, wir haben also noch nicht über die Zukunft gesprochen. Wenn du sie nicht aufnehmen kannst, gibt es noch Marinas alte Tante Jessica in Lancaster, sie hat ein großes Herz und wird sich, so gut sie kann, um Connie kümmern. Ich will, dass sie ihren Onkel und ihren Großvater kennenlernt, aber ich will nicht, dass sie Einfluss auf ihr Leben und ihre Zukunft haben. In unserer Sippe bist du die Einzige, der ich vertraue.
Tasha, wenn du sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht bei dir aufnehmen kannst, bitte nimm wenigstens Kontakt zu ihr auf, ja? Marina und ich waren als Eltern nicht sehr erfolgreich, aber wir
haben eine kleine Summe, fünftausend Pfund, für sie angespart. Die Vorkehrungen für mein Begräbnis sind bereits in die Wege geleitet, alles ist bezahlt und es stehen keinerlei Kosten aus. Ich werde eingeäschert und hier in London begraben. Mich zieht nichts nach Australien. Nach dem, was wir hier mitbekommen, scheint sich in einigen Punkten auch nicht sonderlich viel geändert zu haben. Die Aborigines werden immer noch verarscht, nicht wahr? Nein, ich bin heilfroh, hier begraben zu werden.
Ach, Schwester, ich weiß, dass du mit fünftausend Pfund nicht weit kommst und dass ich Unmögliches von dir verlange. Aber ich glaube, dass du Connie lieben wirst. Ich werde sie daran erinnern, wie ihr euch das letzte Mal gesehen habt, vor Jahren, da war sie nicht mal fünf, und du hast zu ihr gesagt, du hättest solche Angst, abends mit der U-Bahn zu fahren. Weißt du noch, was sie geantwortet hat? »Aber Tante Tasha, in der U-Bahn ist doch mehr Licht. Da ist es doch abends viel sicherer.« Sie ist wirklich erstaunlich unkompliziert. Neulich hat sie mich doch tatsächlich gefragt, ob ich etwas von Simon & Garfunkel habe. Und ich dachte, in London kennen die Kids nur Hip-Hop und Dance. Aber sie fängt an, sich für Musik aus der Hippiezeit zu interessieren. Nach Joni Mitchell und Fleetwood Mac hat sie auch schon gefragt. Weiß der Himmel, wo sie das gehört hat. Vielleicht auf Radio 2?
Genau, Dad, Radio 2. Wenn du nicht da warst, haben Mum und ich Radio 2 gehört. Ich habe Joy Division und The Clash gehasst. Techno konnte ich nicht ausstehen. Ich wollte Fleetwood Mac hören.
Ich liege im Sterben. Es wäre schön, wenn du mir so schnell wie möglich zurückschreiben könntest. Bitte entscheide selbst, was am besten für dich ist, denn das ist auch das Beste für Connie und mich. Du kannst natürlich auch anrufen, aber ich habe solche Angst, in Tränen auszubrechen, wenn ich deine Stimme höre, liebe Schwester. Connie nennt mich ein Fossil, weil ich kein Internet und keinen E-Mail-Account
habe, aber eine der wenigen Freuden, die man als Sterbender hat, ist die Freiheit, abzulehnen, wen oder was man will. Wie du weißt, habe ich Fernsehen und Telefon immer gehasst. E-Mail und Internet klingt nach einer Kombination aus beidem. Grauenhaft. Offensichtlich bin ich nicht für dieses neue Jahrhundert gemacht und ich habe mir den richtigen Zeitpunkt für meinen Abgang ausgesucht.
Bitte schreib mir. Ich wünschte, ich wäre ein aufmerksamerer älterer Bruder gewesen und hätte dir nähergestanden. Ich habe dich auf ganzer Linie enttäuscht. Jetzt weine ich, während ich dies schreibe, und ich
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