Nur eine Ohrfeige (German Edition)
gewöhnte sich ihr Körper an die Hitze, und sie schloss die Augen. Mit einem Ohr horchte sie auf Geräusche von Hugo. Gary und er sahen
Findet Nemo
. Hugo lag auf dem Rücken und fuhr mit den Beinen Fahrrad. Gary trank sein zweites Bier und hatte den Overall bis zur Hüfte heruntergelassen. Sie hatte versprochen, nicht zu lange in der Wanne zu bleiben, jedenfalls nicht, bis das Wasser abgekühlt war. Aus dem Wohnzimmer war abgesehen von unverständlichem Geschnatter und der Musik aus dem Fernseher so gut wie nichts zu hören. Hugo hatte denselben Film im Laufe des Tages schon einmal gesehen. Während der letzten Wochen hatte er sich zu seinem Lieblingsfilm entwickelt, und inzwischen kannte sie ihn selbst fast auswendig. Manchmal stellte sie sich vor, sie wäre Dorie und er Nemo. Sie wünschte, er wäre jetzt bei ihr in der Wanne (nur dass es viel zu heiß für ihn war). Sie könnten Dorie und Nemo spielen, in ihrer wunderschönen saphirblauen Unterwasserwelt. Sie würde alles vergessen, was er ihr erzählte, und versuchen, nicht zu kichern, wenn Hugo sich darüber aufregte.
Rosie riss die Augen auf. Verdammt. Gegen Mittag hatte sie den Brief bekommen, kurz nachdem sie mit Hugo aus dem Park gekommen war. Sie war bleich geworden, als sie die nüchternen Zeilen gelesen hatte, aus denen Uhrzeit und Datum der Anhörung im Schiedsgericht in Heidelberg hervorgingen. Danach hatte sie sich erst mal setzen müssen. Zum Glück hatte Hugo vor dem Fernseher gesessen und nichts davon mitbekommen. Rosie hatte sofort bei der Rechtshilfe angerufen, wo erfreulicherweise Margaret, ihre Anwältin, ans Telefon ging. Das ist doch wunderbar, versicherte ihr die junge Frau, dann habt ihr die Sache bald hinter euch. Benommenhatte Rosie aufgelegt. Vier Wochen. In vier Wochen sollte alles vorbei sein. Erst wollte sie Gary auf dem Handy anrufen, doch dann entschied sie sich dagegen. Sie riss sich zusammen. Bis Freitag würde sie ihm den Brief nicht zeigen. Noch zwei Tage. Es war vielleicht besser, wenn das Wochenende vor der Tür stand. Heute würde er sich nur betrinken und nicht schlafen können und dann tagelang schlecht gelaunt sein.
Die ganze Zeit musste sie daran denken, was jetzt auf sie zukam. Margaret hatte ihr erklärt, dass sie sich selbst nicht äußern mussten, solange der Vorsitzende Richter nicht eine der beiden Parteien aufforderte auszusagen. Am liebsten würde sie in den Zeugenstand treten und der ganzen Welt berichten, was dieses Schwein ihrem Kind angetan hatte. So funktioniert das nicht, hatte ihr Margaret immer wieder versucht klarzumachen, das sei eine Sache zwischen der Polizei und dem Angeklagten.
Die wohlige Hitze des Wassers entlockte Rosie ein Lächeln, als sie daran dachte, was Shamira zu ihr gesagt hatte: »Warte ab, bis ich im Zeugenstand stehe – ich werde denen schon erzählen, was für ein grausamer Mensch das ist, was für ein Vergnügen es ihm bereitet hat, Hugo zu schlagen. Dieses Schwein hat das richtig genossen, das soll jeder wissen.«
Gleich nachdem sie den Brief erhalten hatte, rief sie Shamira an. Eigentlich wollte sie sich als Erstes bei Aisha melden, aber es war früher Nachmittag und Aisha war wahrscheinlich noch in der Praxis und konnte nicht telefonieren. Shamira hatte genauso reagiert, wie Rosie es sich erhofft hatte, und ihr von Herzen bedingungslose Unterstützung zugesagt. Das war genau das, was Rosie gerade brauchte.
»Verdammt«, murmelte sie erneut und sank tiefer ins Wasser hinein, bis es über ihr Kinn, ihre Lippen, ihre Augenbrauen schwappte. Wenn sie jetzt den Mund öffnete, würde es in sie hineinströmen, von ihr Besitz ergreifen, in ihre Lungen, ihre Eingeweide, ihre Zellen dringen, bis sie explodierte. Sie kam ruckartig hochund spritzte das Wasser über die Fliesen. Dieser Dreckskerl. Sie konnte sich nicht entspannen – und wollte es auch gar nicht. Das war ihr Kampf, ihre Schlacht. Zum Teufel mit ihm. Sie hoffte, er würde ans Kreuz genagelt, damit die ganze Welt von dem Verbrechen erfuhr, das er an ihrem Kind, an ihr, an ihrer Familie begangen hatte. Die Wut, die Entrüstung, die sie überkam, war geradezu berauschend. Sanft drückte sie ihre rechte Brustwarze zusammen, sodass ein dünner Strahl Milch ins Wasser schoss.
Es klopfte laut an der Tür. »Das Wasser muss doch schon eiskalt sein.«
Ein letztes Mal tauchte sie unter und stand dann auf. Gary hatte die Tür aufgestoßen. Sie lächelte ihn unschuldig an.
»Reichst du mir das Handtuch?«
Sie sah das Verlangen
Weitere Kostenlose Bücher