Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
hier vorher schon einmal gezeltet?“
„Hmm.“
„Warum?“
Er hielt an, drehte sich um und musterte sie mit diesem eindringlichen Blick aus seinen schwarzen Augen, der ihr immer den Atem nahm. „Du brauchst dich nur umzusehen.“
Sie tat es. Die Wände und Kämme des Canyons erhoben sich um sie herum, als hörten sie nie auf. Sie waren von einer ganz einzigartigen Farbe und Beschaffenheit, was noch unterstrichenwurde durch die Einsprengsel vom Grün der zähen, knorrigen Bäume und des Buschwerks, das direkt aus dem Felsen zu wachsen schien. Genauso wie sie es schon vom Flugzeug oben gesehen hatte, fühlte sich Lee jetzt wieder an Burgen und Festungen erinnert. Doch ohne die Distanz, die das Flugzeug unvermittelt hatte, wuchs das Empfinden eingeschlossen zu sein.
Ihr wurde warm. Die Sonne schien kräftig, trotz der Schatten der Bäume, die in dieser Höhe noch üppig wuchsen. Sie begegneten anderen Menschen – Kindern, Erwachsenen, Babys, die auf Indianerart getragen wurden –, und doch hatte Lee das Gefühl, als wären sie hier allein.
Es ist wie ein Gemälde, erkannte sie plötzlich, als wenn wir in eine Leinwand hineinmarschierten. Das Gefühl, das es ihr vermittelte, war unheimlich und unwiderstehlich. Sie verlagerte das Gewicht ihres Rucksacks auf dem Rücken, während sie mit Hunter Schritt hielt.
„Ich habe einige Häuser bemerkt“, begann sie. „Ich wusste gar nicht, dass im Canyon tatsächlich Menschen leben.“
„Offensichtlich.“
Sie spürte, er war mit den Gedanken woanders und verfiel auch in Schweigen. Besser sie bedrängte ihn nicht. Im Augenblick konnte sie nichts anderes tun, als Hunter einfach zu folgen. Offensichtlich wusste er, wohin er ging.
Es überraschte sie, dass sie den Marsch angenehm fand. Seit Jahren war ihr Leben von Fristen, Hetze und selbst auferlegten Anforderungen bestimmt. Wenn jemand sie gefragt hätte, wo sie gern zwei Wochen ausspannen wollte, wäre ihr absolut nichts eingefallen. Wenn sie bei weiterem Nachdenken dann doch eine Vorstellung bekommen würde, dann wäre auf keinen Fall ein Canyon in Arizona dabei, durch den sie gerade stolperte. Noch nie war sie auf den Gedanken gekommen, reine Luft und eine ins Unendliche reichende Himmelskuppel als anziehend zu empfinden.
Sie hörte ein ruhiges, musikalisches Klingen und brauchte einigeMinuten, um es zu identifizieren. Ein Bach. Sie konnte das Wasser direkt riechen.
Ob ihr bewusst ist, wie total außerhalb ihres Lebenselements sie wirkt, fragte sich Hunter. Es hatte ihn nur einen Blick gekostet, um zu sehen, dass die Jeans und die Stiefel, die sie trug, direkt aus dem Laden kamen. Selbst das T-Shirt, das sich weich ihrem Körper anschmiegte, war offensichtlich Boutiqueware und nicht von der Stange. Sie sah wie ein Model aus, das als Camperin posierte. Sie roch teuer, exklusiv. Wunderbar. Welche Frau trug einen gebrauchten Rucksack und Saphirstecker im Ohr?
Er wollte sie. Es war schon lange her, dass er etwas, jemanden gewollt hatte, was er nicht schon hatte. Während der letzten Tage hatte er oft an ihre Reaktion auf jenen lang dauernden Kuss gedacht. Er hatte an seine eigene Reaktion gedacht. Während der nächsten zwei Wochen würden sie viel voneinander kennen lernen, obwohl jeder von ihnen seine eigene Arbeit verfolgte. Aber nichts war umsonst. Sie würden beide dafür zahlen müssen.
Die Stille beruhigte ihn. Die sich auftürmenden Wände des Canyons beruhigten ihn. Lee sah ihre Wildheit, er ihre Ruhe. Vielleicht sahen sie beide, was sie sehen mussten.
„Für eine Frau und für eine Reporterin besitzt du eine erstaunliche Fähigkeit zum Schweigen.“
Das Gewicht ihres Rucksacks fing an, ihr die Freude an der wilden schönen Landschaft zu nehmen. Er hatte nicht ein einziges Mal gefragt, ob sie eine Pause machen und sich ausruhen wolle. Nicht einmal hatte er sich die Mühe gemacht, zurückzublicken, um zu sehen, ob sie überhaupt noch hinter ihm war. Sie fragte sich, ob er nicht das Loch spürte, das ihr Blick in seinen Rücken bohrte.
„Du hast eine erstaunliche Fähigkeit für beleidigende Komplimente.“
Zum ersten Mal, seit sie losmarschiert waren, drehte sich Hunter zu ihr um. Auf ihrer Stirn perlten Schweißtropfen, undihr Atem war schnell. Es schadete ihrer kühlen Schönheit überhaupt nicht. „Tut mir Leid“, sagte er. Doch Lee zweifelte, dass es ihm tatsächlich Leid tat. „Gehe ich zu schnell?“
Trotz des schmerzenden Rückens straffte Lee ihre Schultern. „Ich bin in guter
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