Nur für Schokolade
1989, an ihren schweren Verletzungen, ohne das Bewußtsein je
wiedererlangt zu haben. Helenas letzte Worte, bevor der Krankenwagen sie abholte: »Bei mir war ein Mann von der Krankenversicherung.«
Die Polizei durchsucht die Räume und findet in dem Chaos zwei blutverschmierte Messer, deren Klingen verbogen sind.
Am Boden liegt ein altes Fotoalbum, einzelne Seiten sind herausgerissen. Die Beamten stellen Ermittlungen an, aber alle Spuren verlaufen im Sande. Es gelingt ihnen trotz größter Bemühungen nicht, den Täter zu finden.
Am 22. August 1994, fünfeinhalb Jahre nach diesem
grauenhaften Mord, ist Leszek Pekalski in der Stadt Bialystok, und er ist nicht allein, er ist in Begleitung eines Staatsanwaltes und mehrerer Polizisten. Er befindet sich hier zur
Rekonstruktion eines anderen Mordes (dem 9. Opfer gemäß Anklageschrift der Staatsanwaltschaft), weswegen man ihn in Handschellen in die Stadt bringt. Doch Leszek ist sich unschlüssig, was er an diesem Tag gestehen soll, und so führt er die Beamten von Ort zu Ort.
Er verspricht dem Staatsanwalt wieder einmal, auszupacken, und wieder kommt dieser zunächst auf die Ermordung eines sechs Monate alten Säuglings zu sprechen. Behäbig beantwortet Leszek die Fragen des Staatsanwalts, aber den Mord an einem halbjährigen Kind, den er bereits gestanden hatte, bestreitet er nun vehement. Denn nach dem Geständnis dieses Mordes hatte Leszek die größten Probleme mit seinen
Mithäftlingen – er hatte nicht gewußt, daß diese so empfindlich auf Kindermörder reagieren, selbst Morddrohungen hatte er 113
deshalb erhalten, und so beschloß er, dieses Geständnis zu widerrufen. Um von diesem Mord abzulenken, gesteht Leszek den Mord an Helena W.. Daraufhin entscheidet der Staatsanwalt zu dem Haus, das sich in der Nähe befindet, zu fahren.
Während der Fahrt beschreibt Leszek sehr genau das Haus und die Küche von Helena W.. Er erinnert sich sogar an zwei Bäume, die sich vor dem Haus befinden und erzählt, daß ihm die alte Frau ein Fotoalbum gezeigt habe. »Zwei Messer sind an ihr kaputtgegangen, darüber war ich sehr böse, denn Messer sind teuer. Außerdem weiß ich noch, die Frau war alt und häßlich.« So weiß er zu berichten, doch nicht mehr erinnern kann er sich daran, mit wievielen Messerstichen er die Frau getötet hat.
»Sie hat mich an meine Oma erinnert«, ist sein ganzer Kommentar.
Zunächst schafft es Leszek, daß man im Fall mit dem
Säugling nicht weiter nachbohrt. Abermals ist das Ganze für ihn eine Luxusreise im Privatfahrzeug des Staatsanwalts, mit anschließender Übernachtung in einem Hotel und Essen in einem Restaurant. Man fährt mit ihm von Stadt zu Stadt und ist froh über den redseligen Leszek. Nicht einmal die Farbe des Kopftuches, das die alte Frau trug, bevor er es ihr vom Kopf riß, hat er vergessen. Er erinnert sich an zwei Schränke, einer davon mit Glastüren. Die Schränke befinden sich jedoch nicht mehr in der Küche. Die Angehörigen bestätigen später, daß sie diese Schränke aus der Küche nahmen, als sie nach dem Tod des Opfers den Haushalt auflösten.
»Ein Zimmer war gelb gestrichen«, gibt er zu Protokoll, was sich ebenfalls als wahr herausstellt, doch dieses Protokoll ist später unauffindbar. Alle Personen, die fünf Jahre früher mit dem angeblichen Sozialarbeiter gesprochen haben, erkennen Leszek beim Polizeiverhör zweifelsfrei als diesen wieder.
Dieses Protokoll ging nicht im Justizsystem verloren, sondern verschwand auf dem Postweg.
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»Das kommt in Polen schon einmal vor«, bestätigt ein
Polizist.
Opfer Nr. 7
Mariola S., ermordet am 17.03.89 in Wroclaw
Am 16. März 1989 arbeitet Mariola S. wie jeden Tag als Verkäuferin in einem Laden in ihrer Heimatstadt Wroclaw und kommt gegen 19 Uhr nach Hause. Sie ist in großer Eile, denn sie will an diesem Abend noch ausgehen. Das Umziehen dauert ihr heute viel zu lange und sie ist froh, als sie mit ihrem Aussehen endlich zufrieden sein kann. Ihre Geldbörse steckt sie noch schnell ein und verläßt das Haus, ohne ihrer Mutter Bescheid zu geben, wohin sie geht und wann sie wieder zurückkommen wird. Das ist eigentlich nicht ihre Art, denn sonst hat sie sie über ihre Unternehmungen stets unterrichtet.
Noch ungewöhnlicher ist, daß sie an diesem Abend nicht einmal die Haustür verschließt.
Zwei Stunden später, gegen 21 Uhr, wundert sich der
Streifenpolizist, der jeden Abend in diesem Wohnviertel seine Runden dreht, daß die Tür des Hauses, in dem
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