Nur für Schokolade
wirklich trug. Später wird sie noch einmal vorgeladen um erneut auszusagen, aber sie kommt nicht, meldet sich krank – und damit ist die Angelegenheit für das Gericht erledigt. Diese Zeugin aber gab nicht den einzigen Hinweis auf Leszek Pekalski als Täter in diesem Fall.
Bei einer der vielen Gegenüberstellungen und Re-
konstruktionen, die im Zusammenhang mit dem Tod der
kleinen Marta gemacht wurden, wird er wütend und schreit die vernehmende Beamtin an: »Ich habe dem Baby im blauen
Kissen nichts getan.«
Man hatte ihm aber einen Kinderwagen mit einer Puppe auf einem weißen Kissen gezeigt. Niemand sprach bei der
Rekonstruktion der Tat von einem blauem Kissen. Das Kissen, in dem der getötete Säugling am fraglichen Tag lag. war tatsächlich blau. Niemand wußte davon, außer der Mutter des Kindes – und dem Täter.
Opfer Nr. 10
Marianna L., ermordet 05.07.1990 in Bialogard
Zweieinhalb Jahre nach dem Mord an Janina W. kommt
Leszek wieder nach Bialogard, wieder mit nur einem Ziel: zu töten. Doch wie damals findet er zunächst kein geeignetes Opfer, obwohl er durch alle Straßen der Stadt eilt. Verärgert beschließt er wieder, von Tür zu Tür zu gehen, doch niemand scheint da zu sein. Als schließlich ein älterer Herr öffnet, ist Leszek so perplex, daß er nur »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag« hervorbringt und schnell wieder verschwindet.
Unterwegs zum nächsten Haus, kurz vor dem Bahnhof, sieht er auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine alte Frau, die gerade die Fenster putzt. Ohne lange zu überlegen, wechselt er 125
die Straßenseite und öffnet das Gartentor des Anwesens.
Verdutzt sieht die Frau den ihr unbekannten Mann an, der direkt auf sie zukommt.
»Wollen Sie zu mir?« fragt sie.
»Ja, ich, ich … möchte gerne mit Ihnen reden!« bringt er stotternd hervor. »Hätten Sie vielleicht etwas zu essen für mich, ich habe schon seit zwei Tagen nichts mehr bekommen?
Ich bin auf der Durchreise und man hat mir meine Geldbörse gestohlen«, lügt er und fügt hinzu: »Ich brauche gar nichts Besonderes, wenn Sie nur eine Scheibe Brot für mich hätten« –
und mit diesem Satz öffnet er sich Tür und Tor. Gern ist sie bereit, etwas zu essen anzubieten, sonst wollen Bettler doch immer nur Geld, und davon hat sie ja selbst nicht genug. Ihre schmale Rente reicht gerade für das Notwendigste. Dieser bescheidene »Hilfesuchende« aber gefällt ihr. Es wäre eine Todsünde für diese gläubige Frau, würde sie ihm die Tür weisen. »Kommen Sie herein, eine Scheibe Brot habe ich allemal« und mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: »Gegen ein Stück Wurst haben Sie bestimmt auch nichts einzuwenden.
Gestern war Schlachttag, da ist bestimmt noch etwas für Sie da.« Marianna L. freut sich sichtlich, etwas Gutes tun zu können. Leszek Pekalski heuchelt, daß er sich riesig über die großzügige Einladung freut. Insgeheim betrachtet er die Frau, als sie mit dem Rücken zu ihm steht. Abschätzig mustert er sein Opfer, das nur eines im Sinn hat, seinen Hunger zu stillen.
Er greift an seine Hose und weiß, welchen Hunger.
»Ziehen Sie doch bitte Ihre Schuhe aus, ich habe gerade geputzt«, sagt die Frau beim Betreten des Hauses. Noch immer steht ein Eimer mit Wasser in der Diele.
»Selbstverständlich«, und schon ist Leszek im Haus. Die Frau bemerkt nicht, daß ihr Gast seine Schuhe nicht am Eingang zurückgelassen hat. Sie geht in die Küche, die sich am anderen Ende des Flures befindet.
Leszek Pekalski blickt ihr nach, zeichnet mit seinen Händen 126
die Größe ihres Hinterns, dann folgt er ihr.
»Das wird Ihnen aber bestimmt schmecken, wenn Sie schon zwei Tage nichts mehr gegessen haben«, sagt sie und stellt ihm einen Teller mit Brot und Wurst auf den Tisch.
»Das schmeckt wirklich sehr gut, vielen Dank«, lobt Leszek die alte Frau, die es genießt, daß er ihre Gastfreundschaft so schätzt. Ein Glas Bier, das sie ihm darüberhinaus anbietet, lehnt er ab und der Frau gefällt, daß ein so junger Mann keinen Alkohol trinkt. Während Leszek ißt, sieht die Frau, daß er noch immer seine Schuhe anhat.
Als sie die durchgelaufenen Sohlen, die schiefen Absätze und Löcher sieht, beschließt sie, ein paar alte Schuhe ihres verstorbenen Mannes zu holen. Also geht sie in den Keller und sieht nach, welche Schuhe wohl noch von ihrem Mann vorhanden sind. Sie entscheidet sich für ein paar feste Halbschuhe, die noch gut erhalten sind. Als sie die Kellertreppe nach oben geht, denkt sie an
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