Nur für Schokolade
ihren Mann und daß er bestimmt nichts dagegen haben würde, wenn sie diesem Menschen ein paar von seinen Schuhen schenkt. Die Kellertreppe ist sehr steil und schwer atmend, aber dennoch mit einem Lächeln auf den Lippen, kommt sie mit den Schuhen in die Küche zurück. Ihr Gast sitzt nicht mehr vor seinem Teller. Er ist zwischenzeitlich aufgestanden und steht mitten im Raum. Als die alte Frau ihn erblickt, durchfährt sie Entsetzen. Das ist nicht mehr dieser freundliche Mann, den sie für ihre Verhältnisse so fürstlich verköstigt hat. Sie sieht jetzt einen, der ihr Furcht einflößt. Vor Schreck läßt sie die Schuhe fallen und versucht zu fliehen.
Doch schon nach wenigen Metern hat Leszek sie eingeholt und an den Haaren von hinten zu Boden geschleudert. Zitternd vor Angst bringt die Frau keinen Ton heraus, sie versucht nur instinktiv, mit den Armen ihren Kopf zu schützen.
Sieben Tage später, am 12. Juli 1990, will eine Freundin Marianna L. besuchen. Auf ihr Klopfen wird ihr nicht
aufgemacht. Sie geht ums Haus herum, sieht durch die Fenster, 127
die für ihre Größe etwas zu hoch liegen und muß feststellen, zumindest aus ihrer Perspektive, daß Marianna offensichtlich nicht zu Hause ist.
Noch einmal geht sie an die Haustür und klopft energischer als vorher, doch wieder kommt keine Reaktion. Da bemerkt sie einen eigenartigen, stechenden Geruch, der aus dem Haus dringt und den sie nicht einordnen kann.
Sie spürt, daß etwas nicht in Ordnung ist. Sie geht nochmals um das Haus, holt eine Leiter, um besser durch die Fenster sehen zu können. Da sieht sie ihre Freundin. Sie liegt am Boden – hat sie einen Herzanfall erlitten? Schon seit Wochen hat Marianna L. über Schmerzen im Brustbereich geklagt, wie ihrer Freundin beim Anblick des leblos daliegenden Körpers einfällt. Hastig steigt sie die Leiter herunter, läuft zur Straße und schreit um Hilfe. Ein junger Mann kommt gerade des Weges und sieht die aufgeregte Frau mit ihren Händen auf ein Fenster des Hauses zeigen. Sie bringt keinen vernünftigen Satz hervor, nur »Hilfe, so helfen Sie doch«.
Der Mann sieht die an die Wand angelehnte Leiter und steigt auf ihr bis zur Fensterhöhe empor. Er erkennt eine alte Frau, die mit blauem Pullover und braunen Schuhen bekleidet am Boden liegt, das schwarzes Kleid bis zur Hüfte hochgeschoben, die Beine gespreizt. Die Frau ist voller Blut. Er rennt zur Straße und hält das nächste Auto an. »Bitte rufen Sie die Polizei, in dem Haus ist etwas Furchtbares geschehen.«
Die Obduktion der Leiche ergibt: Schwerste Kopfver-
letzungen durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand, zahlreiche tiefe Schnittwunden am ganzen Körper. Halsmale durch Erwürgen, Vergewaltigung mit einem stumpfen
Gegenstand. Leszek Pekalskis Dank an die Frau, die ihm zu essen gab und ihm Schuhe ihres verstorbenen Mannes
schenken wollte.
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Opfer Nr. 11
Jolanta T., ermordet am 22.01.1991 in Lublin
Jolanta T. ist eine junge, lebenslustige Studentin der Pädagogik im fünften Studienjahr. An diesem Januartag ist sie bei ihrer Freundin im Studentenwohnheim eingeladen. Wochenlang
haben sie immer wieder versucht, sich zu treffen, doch es gelang den beiden jungen Frauen nie, einen passenden
Zeitpunkt zu finden. Doch heute ist es so weit. Jolanta hat einen neuen Freund, und was gibt es wichtigeres, als ihrer Freundin davon zu erzählen. Natürlich vergeht die Zeit wie im Fluge. Längst ist es dunkel an diesem kalten Januarabend, als Jolanta endgültig beschließt, nach Hause zu gehen. Sie kann nicht bei ihrer Freundin übernachten, denn am nächsten Morgen muß sie früh aufstehen. Nachdem sie sich für die nächsten Tage verabredet haben, bringt Jolantas Freundin sie noch bis zur Haustür, läuft dann schnell wieder nach oben in ihre Wohnung und ist froh, bei dieser eisigen Kälte nicht mehr das Haus verlassen zu müssen. Sie geht auf den Balkon und winkt Jolanta nach, deren Nachhauseweg durch den
angrenzenden Park führt. Bereits nach wenigen Metern ist Jolanta von der Dunkelheit verschlungen und die Freundin geht wieder zurück in ihre warme Wohnung. Jolanta, die
Frischverliebte, geht geradewegs durch den Park. Sie bemerkt in all den Gedanken an ihre neue Liebe nicht, wie dunkel es geworden ist in diesem Park, den keine Laternen erleuchten.
Doch sie kennt ja den Weg und ist viel zu sehr mit ihrer Liebe beschäftigt. Das fahle Mondlicht und der Schnee bieten genügend Licht, um ihren Weg zu erhellen. Jolanta kommt nie zu Hause an.
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