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Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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jetzt weicht Leszek aus und sagt, er sei müde und aufgeregt und er könne sich auch nicht mehr so genau erinnern.
    Alle Anwesenden versuchen, ihn zu beruhigen und sagen:
    »Bleib ganz ruhig, Leszek!« und noch einmal wird wiederholt:
    »Leszek, sagen Sie uns, wieviele Menschen haben Sie
    getötet?«
    Er blättert in den Sexheften und wirkt ruhiger. Er schaut kurz auf und hat nur eine kurze Antwort: »Vierzehn Menschen habe 213
    ich getötet!«
    Noch nie zuvor hatte Leszek gestanden, getötet zu haben.
    Stets hat er ausgesagt: »Ich wollte, daß sie still ist.«
    Längst sind der Betreuer und der leitende Vollzugsbeamte aufgestanden und hinter die Kamera getreten, um das
    Geschehen aus nächster Nähe erleben zu können. Die Besuchszeit ist um mehr als zwei Stunden abgelaufen, doch diesen Vorgang wollen auch sie nicht unterbrechen. Dann beginnt Leszek, alle einzelnen Morde zu beschreiben, er benötigt dazu fast eine Stunde. Er wird dabei immer ruhiger, je mehr er in die Einzelheiten geht. Er läßt nichts aus, vor allem Dinge, die nur der Täter kennen kann. Mensch oder Psychopath, wer ist dieser Mensch, der ihnen nur einen Meter entfernt gegenübersitzt?
    Gebote, Tabus interessieren ihn offensichtlich nicht. Er will in den Himmel kommen und mißachtet wie kein anderer das
    Gebot: »Du sollst nicht töten«.
    Man hört, daß ihm Mitleid fremd ist – für ihn zählt nur die Befriedigung seiner Wünsche. Sex und der Wunsch zu töten.
    Noch einmal wird die Befragung fortgesetzt.
    »Warum haben Sie sich sogar an Leichen vergangen, wie in den meisten Fällen?«
    »Freiwillig wollten sie das ja nicht mit mir machen.«
    »Und wenn sie es freiwillig mit Ihnen gemacht hätten?«
    »Dann würde ich sie auch nicht töten.«
    »Hatten Sie je eine Freundin, die mit Ihnen geschlafen hat?«
    »Nein, nie, ich habe noch nie mit einer Lebenden das Eine gemacht. Ich bin doch anders als die anderen, ich weiß, vielleicht bin ich ein wenig verrückt. Aber ich bin doch ganz arm, ich habe kein Auto, ich kann den Mädchen doch nichts bieten.«
    Inzwischen ist es nach 20 Uhr und die Statuten der
    Gefängnisleitung schreiben vor, daß sich nach 19 Uhr kein Besucher mehr in der Anstalt aufhalten darf. Die Beamten geben zu verstehen, daß das Gespräch abgebrochen werden 214
    müsse, wofür alle Verständnis zeigen. Leszek aber hat noch etwas zu erledigen. Er geht auf ein Mitglied der für ihn merkwürdigen Besucher zu und fragt: »Bekomme ich jetzt meinen Jogginganzug?« Er hat es also nicht vergessen, obwohl er etwas müde ist.
    Freudig betrachtet er die neuen Kleidungsstücke. Ein
    violetter Markenjogginganzug mit drei Streifen, wie
    gewünscht, ein brauner Pullover und ein paar Socken. Sofort beginnt er sich zu entkleiden, es stört ihn auch nicht, daß die Kamera noch immer läuft, obwohl er nur noch in seiner langen Unterhose und seinem Unterhemd im Raum steht. Er achtet auch nicht auf die beiden jungen Frauen, die sich verschämt zur Seite drehen. Er will gerade seine neue Bekleidung anziehen, als einem der Anwesenden die zwangsweise von anderen Häftlingen beigebrachten Tätowierungen einfallen.
    Man bittet Leszek deshalb, auch das Unterhemd auszuziehen.
    Zunächst denkt er, daß man auch dieses mitnehmen wolle: doch als er bemerkt, daß seine Tätowierungen betrachtet werden, schämt er sich offensichtlich und sagt: »Aber das sagen Sie niemanden, was man mir da auftätowiert hat?«
    Das wird ihm versprochen, und er zieht seine neuen Sachen an. Stolz verläßt er den Raum.
    Einiges wurde erreicht bei diesem Interview. Leszek
    Pekalski hat vierzehn Morde vor laufender Kamera gestanden, auch sein Vorwort für ein Buch (das vorliegende) und seine Kleidung hat das Team. Statt jedoch diesen Tag zu feiern, zieht es jeder einzelne von ihnen vor, nach dem Abendessen auf sein Hotelzimmer zu gehen.

    Am nächsten Morgen ist das Gerichtsgebäude wieder zum Schauplatz zahlreicher Berichterstatter geworden. Schon früh sind Reporter versammelt. Fotografen, Kameraleute, Redakteure. Beim Portier des ehrwürdigen Hauses gibt es kaum Sprachschwierigkeiten – er versteht zwar kein Englisch, doch 215
    allein der Name »Leszek Pekalski« macht ihm klar, was die einzelnen Besucher wollen: Vor Prozeßbeginn in den
    Gerichtssaal.
    Dieser befindet sich im ersten Stock des Neubautrakts, Zimmer 114. Auf dem Sitzungsprotokoll vor dem Gerichtssaal am schwarzen Brett kann man erkennen, daß hier der Prozeß stattfindet. Inzwischen vertraute Namen der Richter und

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