Nur für Schokolade
Gefängnis. Immer noch sind alle heiter, der Fahrer wundert sich – wer scherzt schon laufend, wenn er auf dem Weg ins Gefängnis ist? Dort angekommen, steuern sie auf 221
den Eingang zu und klingeln. Minuten vergehen, doch niemand öffnet die kleine Luke an der Tür.
Plötzlich bemerken sie die Blicke der umstehenden Frauen, die das aggressive, selbstbewußte Klingeln nicht einordnen können. Sie warten bereits seit Stunden vor dem Gefängnistor, doch nichts rührt sich für sie. Die Neuankömmlinge aber tun so, als würden ihnen Tür und Tor offenstehen. »Na, wohl keine Zeit?« wird plötzlich aus dem kleinen Schlitz der Tür gerufen und zwei dunkle Augen blicken nach draußen. Der Ausdruck zeigt: man ist nicht sehr erfreut über die Klingelei. Trotzdem: kurz nachdem sich die Besucher ausgewiesen und nach dem Direktor verlangt haben, wird ihnen zur Verwunderung der umstehenden Frauen blitzschnell die Türe geöffnet. »Bitte, nehmen Sie doch Platz, der Herr Direktor läßt Sie gleich rufen!« sagt der Schließer, und schon stehen in der kleinen Pförtnerloge zwei Stühle bereit.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, was heute los ist.
Heute ist Besuchstag und das ist die Hölle für uns!«
Während der Beamte erzählt, welch überdimensionales
Arbeitspensum er an solchen Tagen zu erledigen hat, müssen sie an die Frauen denken, die vor der Eingangstüre warten. In der kleinen Einbahnstraße befindet sich direkt gegenüber dem Eingang des Gefängnisses ein kleines Wartehäuschen, ähnlich dem einer Bushaltestelle. Der überdachte Raum ist überfüllt von Frauen mit kleinen Geschenkkartons in der einen und ihren Kindern an der anderen Hand.
Jeder, der die Straße entlanggeht, mustert die Frauen, die gesenkten Hauptes versuchen, die Kinder abzulenken, damit sie diese entwürdigende Prozedur nicht mitbekommen. Slupsk ist eine kleine Stadt und es kennt jeder jeden. Was muß in diesen Frauen vorgehen, die niemandem etwas getan haben, außer mit einem Mann verheiratet zu sein, der im Gefängnis sitzt? Vielleicht entschuldigen sie die Taten ihrer Männer und denken, sie haben es nur für ihre Familien getan. Nun haben 222
diese Frauen keinen Ernährer mehr, der für die Familie sorgt, dennoch haben sie Geschenke mitgebracht. Der Beamte wendet sich seinen Besuchern zu. Offensichtlich hat er bemerkt, wie traurig sie diese Situation finden.
»Ich kann ja auch nichts dafür, daß die oft Stunden warten müssen, bis sie hereingelassen werden. Wir haben eben viel zuwenig Beamte hier«, lautet seine Entschuldigung und dabei geht er wieder zur Eingangstür. Schüchtern wird ein Name durch die Eisenklappe hereingerufen und der Beamte erwidert nach außen: »Eine Stunde, dann hole ich Sie wieder ab.«
Eine Frau wird eingelassen. Sie ist etwa 35 Jahre alt und hat zwei kleine Kinder dabei. Verlegen blickt sie um sich.
Ein neuer Beamter kommt in das Besucherzimmer und teilt mit, daß der Direktor nicht im Hause sei, aber sein Vertreter lasse zu sich bitten. Das Team wird hingeführt, der Vertreter stellt sich kurz vor und spricht gleich von dem Vorfall der letzten Nacht: »Kein Problem mit gestern abend wegen der Kleidung des Gefangenen Leszek Pekalski. Ich habe mit dem Direktor gesprochen und Sie können selbstverständlich die Kleidung, wie Ihnen zugesagt, behalten.« Dabei muß er lachen,
»Aber es war schon eine riesige Aufregung hier im Haus gestern abend, wir alle glaubten wirklich, Leszek wollte ausbrechen. Wer konnte auch ahnen, daß es einen Menschen gibt, der die Kleidung dieses Mannes haben will. Hat Ihnen der Herr Direktor sonst noch etwas versprochen?« fragt er mit sarkastischer Stimme und ist vermutlich froh, daß dem nicht so ist. »Aber ich hätte an Sie eine Bitte und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese erfüllen könnten. Kann ich ein wenig in den Aufenthaltsraum gehen, um die Gefangenen mit den Besuchern zu sehen?«
Undeutlich stimmt er zu und kann sich dabei diesen neuen Wunsch nicht erklären. Leszeks Betreuer wird gerufen, und er begleitet den Neugierigen in den Besucherraum. Es ist genau das Zimmer, in dem Leszek gestern vor der Kamera stand.
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Nur eine lange Tischreihe trennt die Besucher von den Gefangenen. So können sie sich die Hände reichen, die Väter sind in der Lage, ihre Kinder auf den Schoß zu nehmen. Vor allem bei den kleinen Kindern kann man bemerken, wie
unbedarft sie die Situation hinnehmen, wo doch die älteren schon mit verstohlenen Blicken im Raum umherschauen und
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