Nur Fuer Schokolade
er hier ist.
Mit einem lauten Schlag öffnet sich am nächsten Morgen eine Klappe an der Zellentür, und Leszek bekommt sein Frühstück. Hungrig nimmt er die zwei Scheiben Brot, die Margarine und eine Blechtasse voll Kaffee entgegen. Zufrieden setzt er sich an den Tisch und genießt offensichtlich die Mahlzeit, wann hatte er auch schon einmal ein Frühstück bekommen? Vielleicht zuletzt in der Sonderschule, bei den Schwestern im Heim, aber in den letzten Jahren bestimmt nicht. Egal wo er später übernachtete, ob in verlassenen Scheunen oder im Sommer im Wald, da war niemand, der ihm ein Frühstück reichte.
Bald darauf ist Hofgang angesagt. Die Gefangenen werden in Zweierreihen zu der großen Wiese geführt, die er von seinem Fenster aus sehen kann. Argwöhnisch betrachten die Gefangenen den Neuankömmling.
»Wohl verkehrt in die Einbahnstraße gefahren?« wird er gefragt. Leszek muß lachen.
Nur für Schokolade
Leszek beobachtet den Tausch von Zeitungen und Zeitschriften und den Handel mit allen möglichen Gegenständen. Er bemerkt sehr schnell, daß der Hofgang der Supermarkt des Gefängnisses ist. Hier kann man alles haben, und es gibt nur wenige Zahlungsmittel – Tabak, Zigaretten oder Kaffee. Alle möglichen Gegenstände und Waren wechseln ihre Besitzer, meist hinter vorgehaltener Hand. Sein gesamtes Umfeld genau beobachtend, vernimmt er die Stimme eines Wärters: »Leszek Pekalski, herkommen. Besuch.«
Ihm ist nicht klar, was das zu bedeuten hat. Wer sollte ihn schon besuchen? So geht er mit dem Wärter durch die langen Gänge des Gefängnisses. An einer kleinen grauen Tür angekommen, bleibt der Beamte stehen und öffnet sie. Der Uniformierte deutet auf zwei Personen, die hinter einem Tisch sitzen. Leszek geht zum Tisch und will gerade seine Hand zum Gruß ausstrecken, als ihn der Staatsanwalt anherrscht:
»Hinsetzen, Sie kennen mich sicher noch.« Ihm wird noch einmal die Kommissarin vorgestellt.
Der Staatsanwalt kommt dann schnell zur Sache: »So, Pekalski, nun erzählen Sie uns mal schön der Reihe nach, was Sie so in der letzten Zeit getrieben haben.«
»Wollen Sie eine Zigarette?« unterbricht die Kriminalbeamtin und reicht ihm eine Packung.
»Nein danke, aber eine Tafel Schokolade hätte ich gerne.«
»Schokolade?«
»… die esse ich so gerne und hier bekommt man ja keine.«
Die Kommissarin sieht den Staatsanwalt an. der nickend seine Zustimmung erteilt. So macht sie sich auf den Weg, für den Gefangenen Schokolade zu holen. Als sie das Besprechungs-zimmer wieder betritt, schaut Leszek verdutzt, daß es ihm tatsächlich gelungen ist, eine Tafel zu erhalten. Wieder bedankt er sich artig.
»Ich hoffe. Sie sind jetzt auch so nett und erzählen uns mal, was sie mit Sylwia R. gemacht haben. Denn deshalb sind wir nämlich hier«, so der Staatsanwalt, der Leszek ein Bild des Mädchens vorlegt – ein Bild, das im Leichenschauhaus während der Obduktion angefertigt wurde. »Das Mädchen kenne ich nicht, was ist denn mit ihr passiert, die ist ja voller Blut«, sagt Leszek und umklammert seine Tafel Schokolade, als hätte er Angst, man würde sie ihm wieder wegnehmen.
»Wir haben in Ihrem Zimmer die blutverschmierte Unterwäsche dieses Mädchens gefunden.« Der Staatsanwalt blufft, noch ist keines der gefundenen Wäschestücke genauer untersucht oder gar einer bestimmten Person zugeordnet worden. Die Beamtin ergänzt: »Wir sind hier nicht zum Spaß.
Herr Pekalski. Wir haben Beweise gegen Sie.«
»Beweise?« Pekalski wird unsicher, seine Haltung demütig.
»Beweise, die darauf schließen lassen, daß nur Sie allein der Täter gewesen sein können. Wir haben sogar einen Zeugen, der Sie ganz genau erkannt hat, daß Sie am Tattag in Kolczyglowy waren.«
Auch dies ist eine Lüge, doch sie verfehlt ihre Wirkung nicht. Wie beiläufig legt man ein Paßfoto des Mädchens auf den Tisch, in der Hoffnung, irgendeine Reaktion bei Leszek hervorzurufen. Und tatsächlich. Leszek wird unruhig, starrt auf das Foto, dann wieder zur Beamtin und zum Staatsanwalt. Er fühlt sich gefangen, und sein Gehirn sucht fieberhaft nach Möglichkeiten, zu entkommen. Was soll er sagen, wie soll er sich verhalten?
Während er versucht, sich selbst zu beruhigen, erklingt die sanfte Stimme der Kripobeamtin. »Nun hören Sie mal gut zu, Pekalski! Auf Mord und noch dazu auf so grausame Art verübt, steht bei uns in Polen noch immer die Todesstrafe. Verstehen Sie, die Todesstrafe. Nur wenn wir, der Herr Staatsanwalt und ich,
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