Nur Fuer Schokolade
seinen Mithäftlingen, am liebsten mit denjenigen, die schon viele Jahre hier einsitzen. Er lernt, hat sich schnell angepaßt an das Leben im Gefängnis. Als er einmal den Mord an einem Kind gestanden hatte, wurde er von seinen Mithäftlingen mit dem Tode bedroht. Selbstverständlich widerruft er dieses Mordgeständnis sofort; nur so kann er auf die Gnade der Mitgefangenen hoffen.
Wären die Wärter nach seinem Mordgeständnis an diesem Säugling nicht gewesen, man hätte ihn längst getötet. Längst wäre die »Anstaltsmüllabfuhr« gekommen, wie man solche schnell ausgeführten Kommandos nennt, und hätte ihn, den »Müll«, beseitigt. Doch auch die Staatsanwaltschaft kennt die Praktiken der Häftlinge und gibt entsprechende Anweisungen, Leszek besonders im Auge zu behalten. Zunächst läßt man das Gerücht verbreiten, daß man sich offensichtlich geirrt hat und Leszek gar nicht der Mörder dieses Kindes sein könne.
Weiterhin wird eine Sperre des gemeinsamen Hofganges angeordnet sowie eine vorläufige Isolation vor den Mithäftlingen. Diesem Umstand hat es Leszek höchstwahrscheinlich zu verdanken, daß er noch lebt.
Eingesperrt mit einem Mörder
Am 13. Februar 1993, einen Tag nach Leszeks 27. Geburtstag, öffnet sich die schwere Holztür zu Zelle 53 des Gefängnisses in Slupsk. Ein Mitgefangener wird Leszek als neuer Zellengenosse vorgestellt. Sein Name ist Roman Z., ein über 50jähriger, sehr gepflegter Mann. Schlank, nicht allzu groß, eine beginnende Glatze verlängert sein Gesicht. Wenn er seine Drahtbrille aufsetzt, sieht er wie ein Professor, Anwalt oder Arzt aus. Für Leszek ist er ein Mann, dem man vertrauen kann.
Die Brille, die ihm einen intelligenten Eindruck verleiht, benötigt Roman Z., um Kleingedrucktes besser lesen zu können. Auch beim Fernsehen trägt er sie, um besondere Details bei Erotikfilmen genauer zu betrachten. Leszek ist begeistert, Gesellschaft in seiner einsamen Zelle zu bekommen, die er seit dem 17. Dezember 1992 bewohnt.
Zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, wer Pekalski wirklich ist und was er auf dem Gewissen hat. Roman hat lediglich erfahren, daß er mit einem Vergewaltiger auf eine Zelle kommen soll. Jahre danach erzählt er: »Es war mir egal, mit wem ich sitzen sollte, viel zu sehr hat mich meine Inhaftierung mitgenommen. Ich dachte an meine Familie und daran, was sie ohne mich tun würden.«
Doch das Zusammensein der beiden ist nur von kurzer Dauer – ganze drei Tage, dann werden sie auf Wunsch Leszeks getrennt. Er hat sich bei den Wärtern beschwert, daß er von Roman ständig belästigt werde. Durch die dauernden Fragen nach den Straftaten fühle sich Leszek »gestört und gequält«, wie er selbst sagt. Dabei will Roman ihm nur helfen, da er der Meinung ist, sich in der Juristerei gut auszukennen. Für andere Gefangene hat er schon Veränderungen erreichen können, Hafterleichterungen und dergleichen, für sich selbst allerdings war er weniger erfolgreich.
So kommt es, daß Leszek wieder allein in seiner Zelle ist und tun und lassen kann, was er will. Zumindest für einige Monate, genau bis zum Juni 1993. Die Polizei ist am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt, seitdem Leszek beharrlich schweigt. Wie könnte man ihn wieder zu Aussagen bewegen?
Viele Möglichkeiten werden genauer analysiert, doch nichts bringt die Ermittlungen wirklich weiter.
Da erfährt die Oberstaatsanwaltschaft, daß sich bei der Polizei ein Mithäftling gemeldet hat. der von sich behauptet, er könne aus Leszek »mehr herausholen, als es der Polizei jemals möglich wäre«.
Der Oberstaatsanwalt sieht darin eine Möglichkeit, Leszek Pekalski überführen zu können und läßt sich sämtliche Ermittlungsergebnisse bringen. Der Staatsanwalt, der die Ermittlungen bisher geführt hat, wird von seiner Aufgabe entbunden. Dem Oberstaatsanwalt wird die Aufgabe übertragen, allein den Fall Leszek Pekalski zu behandeln. Der andere versteht die Welt nicht mehr. Er, der diesen Mann überführt und den Täter wahrscheinlich unzähliger Morde hinter Schloß und Riegel gebracht hat, muß den Fall abgeben –
einen Fall, der für ihn sicher mit einem beruflichen Aufstieg verknüpft gewesen wäre. Er weiß: ganz Polen schaut auf den Mann, den es zu überführen gilt. Selbst in Warschau, der Hauptstadt, läßt man sich inzwischen täglich über die Ermittlungen unterrichten.
Das Justizministerium beschäftigt sich ebenfalls mit dem Täter. Man befürchtet, einem der größten Massenmörder der
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