Nur Fuer Schokolade
dem am Nachmittag Fernsehen angesagt ist und natürlich von allen Gefangenen gern angenommen wird.
Besonders stolz ist man auf die ärztlichen Behandlungszimmer und die eigene Zahnarztpraxis, die den Gefangenen zweimal in der Woche zur Verfügung stehen. Der leitende Vollzugsbeamte wird gefragt, wie Leszek sich denn in den Ablauf eines Gefängnisses integriert hat.
»Im Gefängnis ist Leszek Pekalski nicht sicher, die Mitgefangenen würden ihn am liebsten töten. Das ist eine schwierige Situation für uns, wir müssen ihn ständig bewachen.
Weil er ein Sexualmörder ist, steht er in der Gefängnis-hierarchie ganz unten. Solche Menschen werden verachtet, solche, die Frauen töten und sie anschließend vergewaltigen.
Nur ein einzelner Hofgang mit anderen Gefangenen wäre zu gefährlich, ein unbewachter Moment, ein Messer, und der Fall Pekalski wäre für immer erledigt. So sehen es die Mitgefangenen.«
Offensichtlich hören die Mitgefangenen zu, denn aus den Zellen rufen sie: »Ein Vergewaltiger, ein Kindermörder, das ist kein Mensch, nicht einmal ein Tier würde so etwas tun.«
Dann kommen sie in den ersten Stock und sehen die Zelle 53, in der Leszek Pekalski seit nunmehr fast vier Jahren einsitzt. Am Ende des gelb getünchten Ganges bleiben alle stehen. Bereitwillig schließt der Beamte die Zelle auf und teilt fast beiläufig mit: »Das ist die Zelle Leszek Pekalskis!«
Der Kameramann betritt den kleinen Raum und filmt jeden Winkel – das also ist die Zelle des Killers. Des Mörders, der seine Opfer ohne Gnade verstümmelte und großes Leid über ungezählte Familien brachte. Hier drin sitzt er. Der Raum ist geheizt, und draußen, in der Freiheit, frieren viele recht-schaffene Menschen. Er aber hat alles, was er zum Leben braucht – ein Bett, Nahrung, Kleidung, große und kleine Extras von diversen Interviews. Es mag klar sein, warum er all die vielen Gelegenheiten zu einer Flucht nie genutzt hat. Wo könnte es ihm besser gehen? Auch einen Stapel Pornohefte hält die Kamera fest; sie sind wohl Leszeks wichtigster Zeitvertreib. Wofür er draußen, in Freiheit, Menschen getötet hat, dafür genügen ihm jetzt Fotos.
Auf dem kleinen Tisch zwischen den beiden Betten unter dem Gitterfenster liegt, ordentlich gefaltet, die aktuelle Tages-zeitung. Daneben: zwei Kugelschreiber und eine Armbanduhr mit schwarzem Lederarmband. Unter der Zeitung befindet sich ein Bild, das Leszek mit einem Kugelschreiber gemalt hat. Es zeigt Fratzen, abscheuliche, dämonisch wirkende Fratzen.
Abbildungen seiner Angst? Hat dieser Mann irgendwelche Ängste? Beim oberen Bett, das von Leszek benutzt wird, sind –
säuberlich wie bei einem Militärbett – die Laken und Wolldecken gerichtet. Auch der kleine offene Wandschrank ist ordentlich eingeräumt: ein Zahnbecher mit Bürste, ein Kamm und eine Rolle Toilettenpapier. Auffallend sind dabei die vielen Seifen. Sauber sind sie in einer kleinen Nische aufeinandergestapelt. Das untere Bett, in dem Roman seine 130 Tage mit Leszek verbrachte, ist nicht mehr belegt. Leszek bewohnt die Zelle alleine. Der Wärter versperrt die Zelle 53 und führt das Team nach nebenan. Hier befindet sich die kleine Kapelle des Gefängnisses, in der sich Leszek so gerne aufhält, wie der Gefängnisdirektor erzählte. In einem dezent gelb getünchten Raum steht ein Holztisch mit roter Decke, der den Altar bildet. Das vergitterte Fenster ist mit christlichen Motiven bemalt. Ein großer, gekreuzigter Jesus beherrscht diesen Raum. Ministrant wollte Leszek einmal werden, fällt einem der Anwesenden ein, doch der Pfarrer warf ihn lachend hinaus. Glaubt Leszek Pekalski an einen Gott? Zu wem mag er hier beten, wer könnte ihn, der vermutlich so vielen Menschen das Leben genommen hat, wohl erhören? Die sich anbahnende Unterhaltung wird von der Mitteilung unterbrochen, daß Leszek in der Anstalt angekommen ist. Die Standuhr zeigt 16 Uhr, als ein Wärter das Büro des Direktors betritt und mitteilt, daß Leszek vorgeführt wurde und sich nun in einer Wartezelle befindet. Aufgeregt sucht das Filmteam Kameras und Taschen zusammen und folgt dem Beamten. Der Begleiter der Filmleute, der auch für die Drehgenehmigungen sorgte, wird vom Direktor zurückgehalten. Ihm zeigt er die Polizeiakte des Leszek Pekalski. Ein Foto, gemacht, als er eingeliefert wurde, zeigt einen schlanken, hageren, ungepflegten Mann mit dunkler Hose und einem blauen Pullover. Er hat nur sehr wenig Ähnlichkeit mit dem heutigen Leszek. Beachtenswert
Weitere Kostenlose Bücher