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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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längst dunkel, Simon hatte Angst vor der Nacht. Aber er ging und bekam unterwegs solche Angst, dass er da vorn, in diesem kleinen Park, wo der Engel steht, vor Angst und Verzweiflung das Paket aufriss. Und die Nudeln in den Schnee streute. Und wie Simon dann wieder zu sich kommt und sieht, was er getan hat, vergisst er die Angst vor der Nacht und sammelt die Nudeln ein, steckt sie in die Tüte und rennt zum Laden, tauscht die schmalen Nudeln gegen breite. Auf jeden Fall kamen wir so zu unseren Königsnudeln. Das habe ich schon erzählt. Der arme Simon. Ich dachte halt, ich sei im Recht und jeder müsse sich irgendwann überwinden. Ich dachte nicht, dass das für Simon so schlimm sein könnte.›

8 Mütze
    Man habe ihm versprochen, die Kirchenschlüssel gegen zwei Uhr zurückzubringen, nun sei es fast drei.
    Albert Mangold setzte sich auf das kurze schwarze Sofa und legte beide Hände flach aufs Leder.
    Dagmar klopfte die Asche ins Spülbecken.
    ‹Dass die das dürfen, einem Pastor einfach die Schlüssel seiner Kirche wegnehmen.›
    ‹Hinter dem Altar verstecken sich nicht nur Priester, auch Gauner›, sagte Albert.
    ‹Vielleicht wäre es gut, wir stellten jetzt das Radio an. Um drei kommen Nachrichten. Und dann erfahren wir, wen die da draußen suchen und warum.›
    ‹Liebste Dagmar, es ist Sonntagnachmittag›, sagte Albert leise und zornig.
    ‹Ja›, sagte Dagmar.
    ‹Da kommen im Radio nur Quatsch und Sport. Am Sonntagnachmittag passiert nichts, was die Nachrichten hörenswert macht.›
    Er hört doch sonst die Nachrichten auch am Sonntag -

    Anna fragte, wann sie denn die Schlüssel brächten.
    Das habe ich doch eben gesagt, dachte Albert und schwieg.
    Es war drei Uhr, ich saß, über einen Nachruf gebeugt, am Tisch in meinem Zimmer, ich fror.
    Josef Zeltheer-Lorenz, Maurer, sechsundvierzig, drei Kinder, vom Baugerüst gestürzt.
    Wie viele Backsteine hat Josef Zeltheer-Lorenz wohl in seinen Händen gehabt! Wie oft hat er mit der Maurerkelle im Mörtel gerührt! Wie viele Gebäude in dieser Stadt tragen Josefs Spuren!, schrieb ich.
    Ich war sehr müde, grundlos erschöpft, mein Kopf schmerzte. Ich zog die Schuhe aus und legte mich aufs Bett, ich fror, breitete die Decke über mich, draußen alles weiß und stumm.
    Ich träumte, ich säße in einem Café, am Nebentisch der Scheidungsrichter. Ich bot ihm meinen Zucker an. Er sagte, das dürfe er nicht, meinen Zucker annehmen.

    ‹Wer hat heute gelesen?›, fragte Dagmar.
    ‹Ivan Cernovski.›
    ‹Der nuschelt. Den versteht man kaum.›
    ‹Wunderbar hat er gelesen, deutlich und schön. Vom Abreißen der Ähren am Sabbat.›
    ‹Beruhige dich, Albert, ich fragte ja nur, wer heute gelesen hat.›
    ‹Bin ich vielleicht unruhig, Dagmar? Ich sage nur, dass Iwan deutlich las und keineswegs nuschelte.›
    Anna sagte: ‹Die suchen mich.›
    ‹Bitte?›, fragte Dagmar.
    ‹Die suchen mich›, sagte Anna.

    Der Wasserhahn tropft -

    Anna sah zum Fenster, sie sah zur Uhr, die neben dem langen Kalender hing, Anna, ihre Ellenbogen auf den Tisch gestützt, legte beide Hände flach ins Gesicht, führte die Finger über die Stirn, aufwärts, abwärts, führte sie über die Augen, über Nase, Mund, Kinn, begrub die Hände im dicken blauen Pullover, bis nur noch die Spitzen ihrer dünnen Finger zu sehen waren.
    Finger wie Essstäbchen, dachte Dagmar.
    ‹Das glaube ich nicht›, sagte sie. ‹Sonst wäre man nicht mit Hunden und Helikoptern gekommen. Sonst hätten sie Albert nicht die Fingerabdrücke genommen. Die suchen einen Gefährlichen. Anna, Sie haben den Lieferwagen ja nicht gefahren damals. Das weiß die Polizei längst, wer damals den Wärter überfuhr, das wissen die seit Jahren.›
    Auf jeden Fall, sagte Albert, zermürbe diese Warterei.
    Dagmar sah Alberts verzerrte Lippen, seine geschwollenen Brauen.
    ‹Worauf warten wir eigentlich?›, flüsterte Dagmar.

    In den Kisten meines Vaters, der nichts wegwarf, der bewahrte, was ihm wichtig und nahe war, fand ich die Kopie eines Briefs an den Chefredaktor der Aberwalder Nachrichten. Hiermit kündige er das Abonnement auf den nächstmöglichen Zeitpunkt. Dreimal habe er die Redaktion auf den Studienabschluss seines Sohns, Simon Mangold, 24, Sozialpädagoge, hingewiesen, zuerst schriftlich,dann mündlich, doch habe man es nicht für nötig befunden, die erfreuliche Tatsache ins Blatt zu rücken, in ein Blatt, das üblicherweise, und möge das Ereignis noch so peripher und nichtig sein, jede Bremsspur feiere.

    Was

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