Nur Mut, liebe Ruth
bestohlen worden. Von
einer Frau, die ihr angeblich irgendwie bei der Rente helfen wollte und die
dann um ein Glas Wasser gebeten hat. Und im Augenblick, wo Frau Bär aus dem
Zimmer war, hat sie sie blitzschnell beklaut. Und zwar um dreihundert Mark.“
Jetzt endlich war Frau
Mühlberger beeindruckt. „O je, das ist aber schlimm!“
„Ja, das ist es!“ rief Ruth.
„Und genau dasselbe wird Ihnen eines Tages passieren, wenn Sie fremde Menschen
in Ihre Wohnung lassen! Versprechen Sie mir, daß Sie von nun an besser auf sich
achtgeben?“
„Das verlangt meine Tochter
auch immer von mir.“
„Ihre Tochter hat recht, Frau
Mühlberger! Bitte, versprechen Sie es mir!“
„Mein Wort darauf.“ Frau
Mühlberger reichte Ruth die Hand. „Und nun, da wir uns kennengelernt haben,
möchtest du nicht doch zu mir hereinkommen? Ich kann dir auch etwas Besseres
als ein Glas Wasser anbieten!“
„Nein, danke“, sagte Ruth und
machte einen höflichen kleinen Knicks, „vielleicht ein andermal. Ich bin ja
bloß gekommen, um Sie zu warnen.“
Sie sauste die Treppe hinunter
und auf die Straße hinaus, den Weg zurück, den sie gekommen war.
Schon von weitem sah sie an der
nächsten Ecke Olga und Leonore stehen, die, jede auf ihre Weise, aus der Menge
der Passanten herausknallten, Olga durch ihr rotes Haar und Leonore durch die
korallenrote Kappe, die sie noch immer aufhatte.
Ruth winkte mit beiden Armen
wie mit Windmühlenflügeln, aber es dauerte eine ganze Weile, bis die
Freundinnen sie entdeckten. Dann stürmten sie ihr entgegen.
„Wo hast du gesteckt?“ riefen
sie. „Was ist dir in die Krone gefahren!? Sag mal, bei dir stimmt es wohl
nicht, uns einfach mitten auf der Straße stehenzulassen? Wir haben dich überall
gesucht!“
„Ihr habt es gerade nötig, mir
Vorwürfe zu machen!“ gab Ruth mit ganz neuer Selbstsicherheit zurück. „Wenn ihr
mich begleitet hättet, wäre uns die Diebin nicht durch die Lappen gegangen.“
„Wer?“ rief Leonore. „Was?“
„Ich verstehe immer Bahnhof!“
sagte Olga.
„Ich habe die Frau entdeckt,
die die alte Frau Bär bemopst hat“, erklärte Ruth mit Würde, „oder, genauer
gesagt, eine Frau, die ich des Diebstahls für sehr verdächtig halte!“
„Nun sag aber mal...
geschwollener kannst du dich wohl nicht ausdrücken!“ rief Olga.
„Sei doch still! Laß Ruth
endlich mal ausreden!“ verlangte Leonore. „Da steckt eine ganze Menge dahinter,
was wir noch nicht wissen. Los, Ruth, erzähle uns die ganze Geschichte!“
„Das werde ich“, erklärte Ruth
gnädig. „Aber erst, wenn wir alle beisammen sind. Ich habe keine Lust, zweimal
dasselbe Garn zu spinnen.“
„Ach herrje, die anderen!“ Olga
schlug sich gegen die Stirn. „Die hätten wir jetzt fast vergessen. Los, wir
müssen rennen. Die werden ganz schön sauer sein!“
Leonore stülpte Ruth wieder die
korallenrote Kappe aufs Haupt, und alle drei sausten los, so schnell sie
konnten.
Kriegsrat
Als die Freundinnen den Kiosk
erreichten, an dem sie sich mit den anderen verabredet hatten, war von Silvy
und Katrin weit und breit nichts zu sehen.
„Puh“, rief Leonore, „und dafür
haben wir uns nun so beeilt!“
„Na, wenigstens können wir uns
jetzt verschnaufen“, sagte Olga und warf sich auf die wenige Schritte entfernte
Gartenbank.
„Ich wette, die waren hier und
sind schon wieder fort“, meinte Ruth, „also wirklich, guckt doch mal auf die
Uhr! Es ist schon Viertel vor vier!“
Olga erhob sich seufzend. „Das
kommt davon. Jetzt sind sie sicher böse.“
„Ach wo“, sagte Leonore, „so
leicht beleidigt sind die bestimmt nicht. Wahrscheinlich haben sie eine
Zeitlang gewartet, dann ist es ihnen zu dumm geworden, und sie sind allein ins
Hallenbad gezogen.“
„Also! Auf, auf und ihnen
nach!“ bestimmte Olga.
Sie überquerten den weiten
Platz, lösten ihre Karten, schoben in die Umkleidekabine für Mädchen, zogen
sich um, verstauten ihre Habseligkeiten in den abschließbaren Fächern und
liefen, barfuß und in Badeanzügen, unter die Brausen. Aber sie ließen sich nur
gerade Zeit, ein bißchen feucht zu werden, dann jagten sie schon in die große
Schwimmhalle.
Vom Rand her entdeckten sie
Katrin und Silvy im Freischwimmerbecken, winkten und riefen ihnen zu. Aber die
beiden taten, als ob sie sie überhaupt nicht bemerkten.
„Auf sie mit Gebrüll!“ rief
Leonore, nahm einen kleinen Anlauf und ließ sich, die Beine voraus, in das
tiefe Wasser plumpsen.
Olga tat es ihr
Weitere Kostenlose Bücher