Nur Mut, liebe Ruth
brach Katrin in ein so unbändiges Lachen aus, daß die
Freundinnen einfach einstimmen mußten.
„Mensch, du hast Begriffe!“
schrie Katrin. „Du bist doch die Hauptperson.“
„Aber ich könnte mit Ruth
gehen“, sagte Silvy.
„Quatsch“, widersprach Leonore,
„du hast mit der ganzen Sache nichts zu tun. Bloß Katrin. Deren Großmutter ist
ja beklaut worden. Nicht deine.“
„Wißt ihr was?“ schlug Katrin
vor. „Ihr begleitet uns bis zum Präsidium und wartet, bis wir wieder
rauskommen. Dann könnt ihr brühwarm erfahren, was wir drinnen erlebt haben.“
Damit erklärten sich, nach
einigem Hin und Her, alle einverstanden, und selbst Olga hörte auf, Gesichter
zu ziehen, da sie endlich begriff, daß es Leonore und Silvy ja auch nicht
besser ergehen sollte als ihr selber.
Nur Ruth war bedrückt. Die
Vorstellung, einem gestrengen Kriminalinspektor Rede und Antwort stehen zu
müssen, paßte ihr gar nicht. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr, wenn sie die
gute Nummer, die sie sich inzwischen bei den anderen erworben hatte, nicht
verderben wollte. Jetzt hieß es in den sauren Apfel beißen.
Ruth als
Detektivin
Als die beiden Mädels die
große, niedrige Halle des Polizeipräsidiums mit den vielen Steckbriefen an den
Wänden betraten, klammerte Ruth sich ganz fest an Katrins Hand. „Du darfst mich
nicht allein lassen“, flüsterte sie, „versprich mir das bitte!“
„Wie käme ich denn dazu!“
„Auch dann nicht, wenn sie mich
von einer Kriminalbeamtin verhören lassen wollen.“
„Unsinn, wer spricht denn von
verhören! Paß auf, das wird eine ganz freundschaftliche Unterhaltung. Der
Kriminalinspektor kann ja froh und glücklich sein, daß wir uns überhaupt
freiwillig bei ihm melden.“
Aber zuerst sah das gar nicht
so aus.
Sie betraten den Wachraum, in
dem verschiedene uniformierte Polizisten hinter einer hölzernen Barriere saßen
und miteinander sprachen.
Katrin drängte sich, Ruth an
der Hand, zu einem jungen Polizisten vor, der gerade eine Frau abgefertigt
hatte. „Guten Tag“, sagte sie sehr laut und deutlich, „ich möchte, bitte,
Kriminalinspektor Maurer sprechen!“
„Warte gefälligst, bis du an
der Reihe bist“, erklärte der Polizist durchaus nicht freundlich.
Aber Katrin ließ sich nicht
einschüchtern. „Ich will ja gar nicht zu Ihnen, sondern zu dem
Kriminalinspektor. Sagen Sie uns nur die Zimmernummer, und Sie sind uns los!“
„Da könnte jeder kommen.“
„Aber der Kriminalinspektor
wird sich freuen; wir haben ihm etwas sehr, sehr Wichtiges zu sagen!“
„Das könnt ihr mir gleich
erzählen. Setzt euch erst mal hin.“ Der Polizist wies auf eine lange hölzerne
Bank.
Katrin beugte sich vor und
erklärte mit einem Bühnenflüstern, das deutlich bis in die letzte Ecke des
Raumes drang: „Es geht um ein Verbrechen!“
Ein älterer Polizist mischte
sich ein. „Ruf doch mal den Inspektor an, Otto“, sagte er, „vielleicht ist er
ja bereit, sich die Mädchen mal anzuhören.“
Mit finsterem Gesicht griff der
junge Polizist zum Telefonhörer, wählte eine zweistellige Nummer und sagte in
den Apparat hinein: „Herr Inspektor, hier sind zwei Mädchen, die wollen Sie
unbedingt sprechen... behaupten, über wichtige Informationen bezüglich eines
Verbrechens zu verfügen! Nein, sie bestehen darauf, mit Ihnen persönlich zu
sprechen...“ Er machte eine Pause, sagte dann: „Gut, ich schick sie rauf!“
Er knallte den Hörer auf die
Gabel, wandte sich an Katrin und sagte unwirsch: „Zimmer 217, zwoter Stock!“
„Danke“, sagte Katrin mit einem
tiefen Knicks, „das war wirklich reizend von Ihnen!“
Sie zog Ruth hinter sich her
aus dem Wachraum. „Siehst du, es hat geklappt!“
„Mir ist schon ganz flau im
Magen“, stöhnte Ruth.
„Mach dir nichts draus, das
geht vorüber!“
Sie stürmten die breite,
geschwungene Treppe mit den flachen Stufen hinauf, zum ersten Stock und höher
zum zweiten. Die Wände wirkten ungeheuer dick. Sie waren bis zu halber Höhe
grau gestrichen, darüber weiß. Der Verputz war an vielen Stellen abgeblättert.
Sie liefen durch einen langen Gang und fanden das Zimmer 217. An der Türe war
ein Schildchen in einem kleinen Rahmen befestigt, auf dem „Kriminalinspektor
Maurer“ stand. „Hier sind wir richtig“, erklärte Katrin und klopfte kräftig an.
„Herein“, ertönte eine tiefe Stimme von innen.
Ruth zuckte zurück und wäre
vielleicht davongelaufen, weil ihr ganzer neu erworbener Mut sie im
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