Nur Mut, liebe Ruth
nach. Ruth
zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann folgte sie dem Beispiel der anderen.
Na, wenigstens, dachte sie, während sie unterging, kann es meiner Frisur nicht
schaden!
Als sie wieder auftauchte,
waren Katrin und Leonore, Silvy und Olga schon in eine kleine Rangelei
verwickelt, bei der jede versuchte, die andere unter Wasser zu drücken.
„Aufhören!“ schrie Ruth. „Es
geht um lebenswichtige Dinge! Ihr müßt vernünftig werden, Freunde!“
„Bei dir ist wohl ‘ne Schraube
locker?“ schrie Katrin zurück und wollte sich auf die Kleine stürzen.
Aber Olga und Leonore kamen
Ruth zu Hilfe. „Aufhören!“ riefen sie und: „Laßt Ruth in Ruhe! Sie hat was
Tolles erlebt!“
„Ausgerechnet Ruth!?“ sagte
Katrin prustend und schniefend. „Das könnt ihr eurer Großmutter erzählen!“ Sie
versuchte, sich von Olga und Leonore freizustrampeln und auf Ruth zuzuschießen.
„Nein, deiner Großmutter!“ rief
Ruth eifrig. „Es geht um deine Großmutter, Katrin, und um das gestohlene Geld!“
Vor Verblüffung hörte Katrin auf
zu strampeln, und da Olga und Leonore sie ausgerechnet in diesem Augenblick
losließen, ging sie unter wie ein Stein. Die anderen starrten auf die Stelle,
wo sie eben noch gewesen war und jetzt nur noch ein paar Luftblasen aufstiegen.
Leonore holte tief Atem, um nach ihr zu tauchen — da erschien Katrins braunes,
mageres Gesicht mit den kohlschwarzen Augen wieder über der Oberfläche, aber
durchaus nicht an der Stelle, wo sie eben versunken war, sondern genau hinter
Ruth.
„Wenn du mich angeschwindelt
hast, kannst du was erleben“, rief sie, schob beide Arme unter Ruths
Achselhöhlen und zog wie eine gelernte Rettungsschwimmerin die Kleine mit sich
an den Rand des Beckens.
Ruth ließ es sich, ohne
Widerstand zu leisten, gefallen.
Die anderen kamen ihnen nach.
„Uns gegenüber hat Ruth auch
behauptet, sie hätte die Diebin gesehen, die deine Oma beklaut hat, Katrin“,
sagte Olga.
Katrin sah auf Ruth. „Aber die
kennst du doch gar nicht!“
„Bitte, sei mir nicht böse,
Katrin...“
„Du hast also doch
geschwindelt!“
„Nein, wirklich nicht! Nur, laß
mich los, sonst kann ich die Geschichte nicht von Anfang an erzählen! Katrin,
du erinnerst dich doch noch an den Samstagnachmittag, als ich dich abgeholt
habe, weil ich mich vor dem Riesenschäferhund fürchtete?“
Jetzt erst ließ Katrin die
Freundin los. „Ja. Sicher. Da warst du bei mir. Aber das Geld ist meiner Oma ja
erst ein paar Tage später gestohlen worden.“
„Das weiß ich. Aber trotzdem.
Hör zu...“
Während Ruth ihre Erlebnisse
schilderte, von dem Moment an, da sie die Perückendame zum ersten Mal gesehen
hatte, bis vorhin, wo sie die Treppe hinunter vor ihr davongelaufen war, hörten
ihr die anderen zu, atemlos vor Spannung und doch immer noch ein ganz klein
bißchen ungläubig.
„Also weißt du“, sagte Katrin,
als sie geendet hatte, „wenn ich so ‘ne Geschichte erzählen würde, dann wüßte
ich wenigstens, daß sie bestimmt geschwindelt ist... aber so!“
„Sie ist von Anfang bis Ende
wahr“, verteidigte sich Ruth, „wenn du nur wüßtest, was für ein schlechtes
Gewissen ich dir gegenüber gehabt habe, Katrin!“
„Aber warum denn? Du konntest
doch gar nicht wissen, daß die Perückendame etwas gegen meine Oma im Schilde
führte, und, genau genommen, ist es ja bis heute noch nicht sicher, ob sie
überhaupt etwas mit dem Diebstahl zu tun gehabt hat!“
„Aber sie hat sich doch sehr,
sehr sonderbar benommen“, sagte Olga, legte sich auf den Rücken und planschte
mit den Füßen im Wasser.
„Es kann aber auch alles nur
Zufall sein“, gab Leonore zu bedenken, „bisher haben wir noch nicht den
leisesten Beweis dafür, daß Ruths Verdacht wirklich stimmt. Mein Vater sagt
immer, man darf keinen Menschen verurteilen, bevor man nicht einwandfrei
beweisen kann, daß er wirklich schuldig ist.“
„Wie dem auch sei“, erklärte
Silvy mit einer bei ihr ganz ungewohnten Großmut, „ich finde es ungeheuerlich,
daß Ruth die Perückendame zu verfolgen gewagt hat, wo sie sie für eine
Verbrecherin hielt. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich den Mut dazu gefunden
hätte.“
Ruth wurde ganz rot vor Freude
und Verlegenheit.
„Das ist unbestritten“, stimmte
auch Katrin zu, „Ruth hat sich selber übertroffen! Ich bin noch immer ganz
baff! Und daß sie mit dieser gefährlichen Person geredet hat...“
„Man tut, was man kann“, sagte
Ruth bescheiden, und dann tauchte sie vor
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