Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
Vom Netzwerk:
abzuräumen und die Scaloppine und den Salat (dazu aufgeschnittenes Baguette) zu servieren. Sie runzelte die Stirn, als sie bemerkte, dass die Damen den Risotto nicht aufgegessen hatten. Charlotte, die das wahrnahm, beeilte sich, dessen Vorzüglichkeit zu rühmen. Aber, so fügte sie an, im Alter, das wisse man ja, nähmen der Appetit und die Aufnahmekapazität ab.
    Aber doch nicht bei allen gleichzeitig und von heute auf morgen, dachte Janina und kehrte enttäuscht zurück in die Küche.
    Leonie starrte auf das flache, von einer feinen Soße beglänzte Kalbsschnitzelchen auf ihrem Teller. Zurückhaltender konnte ein gebratenes Fleisch kaum in Erscheinung treten.
    Charlotte beschloss, den Speisen mehr Aufmerksamkeit zu gönnen.
    »Vorzüglich, ganz zart«, sagte sie, »auf den Punkt genau gebraten.«
    Leonie sah noch immer fremdelnd auf ihren Teller.
    »Vielleicht hat Nadine ja recht, vielleicht sollte man kein Fleisch mehr essen.«
    Johanna schien amüsiert.
    »Noch eine Heilige. Glaub bloß nicht, dass du dich aus dem großen Fresskreislauf einfach ausklinken kannst. Die Welt ist ein Verdauungsprozess, wie uns ein Dichter einmal sagte.«
    Leonie ließ sich nicht beirren.
    Wusstet ihr, dass so eine Turbokuh, gezüchtet für eine absurde Maximierung ihrer Milchproduktion und konditioniert auf ein spezielles Kraftfutter, befreite man sie aus ihrem engen Pferch und führte sie auf eine Weide, nach kurzer Zeit elend verenden würde – das saftigste Gras vor der Nase?«
    »Janina kauft nur Fleisch von freilaufenden Kühen. Iss gefälligst dein Schnitzel, ohne uns mit einer Fluchrede auf Tierquälerei und Nahrungsverpantschung den Appetit zu verderben«, sagte Charlotte ungehalten.
    »Verzeihung«, sagte Leonie, »ich hoffte, auch einmal ein wenig punkten zu können im Wettbewerb um die besten Gründe, bald zu sterben.«
    »Aber doch nicht beim Essen«, sagte Charlotte.
    »Freilaufende Kühe, ich lach mich tot«, sagte Johanna.
    »Nur zu!«, sagte Charlotte.

Dörtes Zimmer (zur selben Zeit)
    »Willste in echt nix«, fragte Dörte.
    Flocke schüttelte den Kopf.
    Dörte stapelte die entleerte und die unangebrochene Pizzaschachtel auf den Parkettboden neben ihr Bett.
    »Ich hab meine Glotze und den DVD-Player retten können«, sagte sie, »haste Bock auf nen Film? Ich hab gute Streifen hier, nich son horstiges Zeug.«
    »Ja klar«, sagte Flocke, »was gibt’s denn?«
    »›Star Wars, Episode 3, Die Rache der Sith‹; ›Zombieland‹; ›Attack the Block‹ und ›Planet Terror‹. Was meinste?«
    Flocke antwortete nicht sofort. Zwei der Filme: ›Star Wars, Episode 3, Die Rache der Sith‹ und ›Attack the Block‹ kannte er schon – die Entscheidung zwischen ›Zombieland‹ und ›Planet Terror‹ verzögerte sich, weil Flocke in seinem Gedächtnis suchen musste, ob sich irgendwelche Informationen mit diesen Titeln verbänden, und weil die Zahnschmerzen seine Reaktionen verlangsamten. Da seine Antwort auf sich warten ließ, verordnete Dörte:
    »Wir ziehn uns erst mal ›Planet Terror‹ rein. Den hab ich in der verbotenen Uncut-Version noch von Freddie.«
    Flocke hatte Zahnschmerzen.

Salon (13 Uhr 45)
    Ohne sich zu verabreden, strebten Leonie und Johanna dem Salon zu.
    Nadine saß noch immer vor dem Fernseher. Sie hatte den Ton ausgestellt, und vermutlich hatte sie auch einen anderen Kanal eingeschaltet, denn dort war jetzt eine geopolitische Reportage zu sehen. Das waren keine schönen Bilder. Bilder vom Schauplatz eines Krieges oder einer Katastrophe. Menschen rannten. Sie waren pure Angst.
    Leonie und Johanna, die gerade hereingekommen waren, starrten auch auf den Bildschirm. Da der beigegebene Kommentar nicht zu hören war, blieb unklar, wo und warum sich das Entsetzen ausgebreitet hatte. Und sie würden es auch nicht mehr erfahren, denn schon waren sie vom fernen Leid abgelenkt, weil Nadine plötzlich sprach, laut und jedes Wort betonend.
    »Die Sensationen dieser Welt – seien sie berauschend oder beängstigend – dringen nicht durch das Grauen, das ich in mir trage. Ist das egoistisch?«
    Darauf gab es nichts zu erwidern.
    Langes Schweigen.
    Bevor die Stille unerträglich werden konnte, durchbrach Johanna sie:
    »Wir haben Janina gebeten, uns den Kaffee hierherzubringen. Vielleicht möchtest du auch einen Kaffee oder einen Tee haben. Oder soll Janina den Risotto aufwärmen?«
    »Nein, keinen Risotto. Tee wäre recht, und bringt mir bitte auch die Torte, die ich für Rungholt gekauft habe, und nehmt

Weitere Kostenlose Bücher