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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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Johanna, die könnte Ihnen aus dem Stand einen halbstündigen Vortrag über das Buch halten.«
    »Ich bin eigentlich gar kein Leser«, sagte Flocke, »es war nur ein Zufall, also dass es da lag, als ich mich so langweilte. Die Schullektüren haben mich in der Regel nicht interessiert.«
    »Und was interessiert Sie?«
    »Ich interessiere mich für Landschaftsarchitektur, später will ich …«
    In diesem Moment flog die Tür auf und donnerte mit Schwung gegen die Wand.
    Flocke erschrak und ließ das Buch in den Ständer für das Kaminbesteck fallen, wo es sich aufgeschlagen zwischen den schmiedeeisernen Gerätschaften verfing.
    Dörte erschien, zwei flache Schachteln auf den Armen.
    »Was ist das?«, fragte Charlotte, obwohl sie es ja sehen konnte.
    »Pizza«, sagte Dörte.
    »Wollt ihr das fettige Zeug hier in der Bibliothek zu euch nehmen?«, sagte Charlotte. Auch das war keine Frage, es war ein klares Verbot.
    »Dann gehn wir eben in diesen Salon«, sagte Dörte.
    »Nein, auch das möchte ich keinesfalls«, sagte Charlotte, »geht bitte in dein Zimmer.«
    »Okay, okay«, sagte Dörte genervt.
    Flocke genierte sich.
    Es war eine doppelte Scham, die ihn traf. Dörtes Verhalten beschämte ihn stellvertretend, und es genierte ihn zugleich, dass seine Angebetete behandelt wurde wie ein unartiges Kind.

Flur im 1. Stock (kurz darauf)
    Sie folgten Charlottes Befehl und machten sich auf den Weg zu Dörtes Zimmer. Auf dem Flur im ersten Stock sagte Dörte »Wart mal nen Moment« und drückte Flocke die flachen Pizzaschachteln, die an einigen Stellen schon etwas durchgefettet waren, in die Hände und verschwand hinter einer Tür. Als sie in den Raum wirbelte, sah er flüchtig einen gekachelten Boden. Daher nahm er an, dass es sich um ein Bad oder eine Toilette handelte. Als er zwei oder drei Minuten so verloren die Schachteln im Arm vor der Tür gestanden und interesselos das Muster des Läufers studiert hatte, ging auf der anderen Seite das Gangs eine Tür auf und eine alte Frau erschien gestützt auf eine Gehhilfe.
    »Guten Tag«, sagte Flocke artig.
    Die alte Frau musterte ihn finster.
    »Das scheußliche Zeug isst hier niemand. Sie können wieder gehen.«
    Bevor er sagen konnte, dass er kein Pizzabote sei, kam Dörte zurück und zog ihn am Ärmel mit sich. Leise sagte sie:
    »Die seh ich auch zum ersten Mal. Das muss die Literaturkrähe sein.«
    Johanna hatte gute Ohren.
    »Ich geb dir gleich Krähe, du Kröte«, rief sie ihnen nach.
    Flocke dachte, dass er sich mit dieser Frau vermutlich nicht über das Buch unterhalten werde.

Küche (12 Uhr 42)
    Janina rührte. Janina rührte mit gleichmäßigen Bewegungen den zuvor mit Zwiebeln und Fett angeschwitzten Rundkornreis und gab in genau bemessenen Abständen Brühe hinzu. Sie beherrschte die italienische Küche. Jacub war aus einer Affäre mit einem verwöhnten Mailänder hervorgegangen. Ein verheirateter Mann, der sie entgegen anderslautenden Beteuerungen nach vier Jahren verlassen hatte. Die Unterhaltszahlungen aus Italien trafen, wenn überhaupt, nur unregelmäßig ein.
    Der Salat, den es vorab geben würde, war schon fertiggestellt. Sie musste nur noch das Dressing hinzufügen. Als Hauptgang sollte es Scaloppine al limone geben. Das würde relativ schnell gehen. Auf diesen Gang würde die Kokette allerdings verzichten. Die war Vegetarierin. Aber die würde mit dem Risotto zufrieden sein. Die aß wie ein Vögelchen. Wespentaille mit Mitte siebzig, versteht sich ja.
    Janina kicherte in sich hinein.
    Im Kühlschrank befand sich ein Auflauf von gestern. Den konnten die Damen sich heute Abend warm machen. Eine Tätigkeit, die in den Aufgabenbereich der Traurigen gehörte.
    Wo die nur blieb?
    Janina rührte.
    Die Küchentür im Rücken und ganz vertieft in die Risottozubereitung hatte sie nicht bemerkt, dass Johanna hereingekommen war, die Gehhilfe voran. Janina fuhr erschrocken herum, als plötzlich der Satz
    »Ich brauche einen Schnaps«,
    im Raum stand.
    Da hätte sie beinahe den Risottotopf umgestoßen. Janina war auch deshalb so erschrocken, weil sie die normale Sprechstimme der Verrückten kaum kannte. Noch nie war die in ihrer Küche erschienen. Noch nie!
    »Da müsste noch eine angebrochene Flasche Grappa im Vorratsschrank sein, aber ich kann auch, wenn Sie den Grappa nicht mögen, schnell in den Keller laufen, da hat die Chefin feine Obstler gelagert. Marillen- und Schlehengeist.«
    »Grappa ist schon recht.«
    Janina holte die Grappaflasche aus dem

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