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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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Vorratsschrank.
    Johanna setzte sich an den Küchentisch.
    »Bitte geben Sie mir ein Glas.«
    Johanna kippte den Schnaps in einem Zug hinunter und knallte das leere Schnapsglas auf den Küchentisch.
    Janina rührte.
    Janina war sehr beunruhigt.

Charlottes Zimmer (zur selben Zeit)
    Leonie hatte vorgehabt, Nadine nicht allein zu lassen mit dem TV-Drama um Unschuld und Bosheit. Es quälte sie nicht, sich dergleichen Rentnertrash anzusehen, wenn es auch etwas langweilig war. Aber dann hatte sie es im Salon doch nicht mehr ausgehalten. Der übermäßig laut eingeschaltete Ton hatte in ihren Ohren gedröhnt. Schlimm genug. Aber wahrhaft unerträglich war der Anblick ihrer verstörten Mitbewohnerin gewesen. Nadine hatte bewegungslos wie eingefroren mit vorgerecktem Kopf vor dem Fernseher gesessen und fanatisch auf den Schirm gestarrt, als forderte der Film ihre höchste Konzentration und wäre auch dieser Mühe wert.
    Nach einer Viertelstunde hatte Leonie gefragt:
    »Willst du reden?«
    Aber Nadine hatte nicht einmal geantwortet.
    Nach weiteren fünfundvierzig Minuten – es lief inzwischen eine Boulevard-Sendung über sogenannte Prominente – war Leonie gegangen.
    Im ersten Stock klopfte sie an die Tür von Charlottes Arbeitszimmer und fand sie an ihrem Schreibtisch vor dem Computer, umgeben von aufgeschlagenen Aktenordnern und einer Unmenge anderer Papiere, die alle einen wichtigen Eindruck machten. Selbst auf dem Boden befanden sich geschichtete Unterlagen und kleine Stapel von Kontoauszügen aus vergangener Zeit.
    Leonie kam gleich zur Sache.
    »Wir müssen uns um Nadine kümmern, sie macht keinen guten Eindruck. Erst holte sie aus zu einer Art verbalem Befreiungsschlag, dann verstummte sie abrupt, und jetzt verharrt sie katatonisch vor dem Fernseher.«
    Charlotte blickte kurz zu ihr auf.
    »Du hast recht. Wir müssen ihr beistehen. Da sollte uns etwas einfallen. Aber leider müssen wir das auf den Abend verschieben. Ich habe nach dem Essen einen Termin in der Bank, und um fünf kommt Rungholt. Vielleicht kannst du sie ein bisschen im Auge behalten.«
    Sie war jetzt schon wieder ganz bei ihren Zahlen und Daten.
    »Ja sicher. Aber du kommst mir auch etwas nervös vor. Was suchst du da eigentlich?«
    »Es gibt Unstimmigkeiten in den Finanzen. Aber ich komme hier nicht weiter. Ich laufe kombinatorisch immer wieder gegen die Wände. Es ist wie verhext. Wenn ich auf der Bank war und mit Rungholt gesprochen habe, weiß ich mehr.«
    »Machst du dir Sorgen?«
    »Ja.«

Speisezimmer (13 Uhr 05)
    Janina hatte den Tisch liebevoll gedeckt. Wie immer. Feines Porzellan. Handgeschliffene Gläser. Schweres Silberbesteck.
    Erlesene Tischwäsche. Janina hatte reiche Auswahl. Vier Haushalte mit teuren und zum Teil alten Beständen waren in der Villa zusammengeführt worden. Da konnte man variieren und gelegentlich steigern. Das Porzellan, das die Kokette beigesteuert hatte, deckte sie nicht so gerne auf. Janina fand es – wie sie bei sich dachte – chichi. Sie wusste nicht, woher ihr dieses Wort gekommen war, irgendwann hatte es Eingang in ihr Vokabular gefunden, und hier schien es ihr passend.
    Janina, die in ihrem dreizehnten Lebensjahr in diesen Sprachraum geholt worden war, war zu Recht stolz auf ihr korrektes Deutsch und auf den Reichtum ihres Wortschatzes. Sie liebte diese Sprache, die ihr einst so feindlich und fremd erschienen war. Sie hatte sie sich erobert, hatte deren Vielfalt wahrgenommen und bewegte sich jetzt in ihr wie in einem Haus, in dem sie immer noch neue Räume entdeckte. Nur die Satzmelodie und der ungewöhnlich weiche Klang einzelner Worte bezeugten, dass es sich nicht um ihre Muttersprache handelte.
    Gelegentlich, in größeren Abständen, brachte sie trotz ihrer kleinen Abneigung das Chichi-Geschirr und die Chichi-Tischdecken zum Einsatz – die Kokette sollte nicht gekränkt werden. Heute musste sie das nicht erwägen, da man ihr ausgerichtet hatte, dass die Kokette unpässlich sei und keinen Appetit habe. An ihrer Stelle werde jedoch die Verrückte am gemeinsamen Essen teilnehmen.
    Sonderbar.
    Janina überlegte: Vielleicht sollte sie der Koketten einen Tee in den Salon bringen.
    Aber dafür gab es keinen Auftrag. Und vielleicht wollte die Kokette kein Mitleid. Man sollte sie nicht für aufdringlich halten.
    Schon wieder solche Unregelmäßigkeiten!
    Janina war bekümmert.

Dörtes Zimmer (währenddessen)
    Horror. Beinahe hätte Flocke die beiden Pizza-Schachteln fallen lassen, als er das große Kruzifix an

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