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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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Baumweißlingkäfer in den Kammern meiner Verdrängung. Nur die Vulkanausbrüche konnte ich nie ganz ausblenden.
    Aber jetzt, da die üble Nachricht, die gezielt mich betrifft, mein Denken und Fühlen beherrscht, klagen auch alle anderen Bedrohungen ihr Recht auf Beachtung ein, alle zugleich wie in einem gewaltigen Akkord. Jetzt, da meine eigene Vernichtung ansteht durch den wuchernden Feind in mir, jetzt, o Gott, ja, jetzt ist der Vulkan in meinem Kopf als Strafe für meine Ignoranz.«
    Nadine legte ihren Kopf in die Hände, als würde er ihr zu schwer werden unter diesem Katastrophenansturm.
    »Sag mir bitte, ob das schon der Irrsinn ist …«
    Johanna versuchte, Nadines Seelenstürme durch Überbietung zu mildern, das hatte bei anderer Gelegenheit geholfen.
    »Nein, du bist nicht irrsinnig, jedenfalls nicht mehr als wir alle hier, allerdings hast du die Sonnenturbulenzen und die anstehenden Asteroideneinstürze vergessen.«
    Es half nicht.

Salon (17 Uhr 49)
    Leonie kam zurück. Auf dem Servierwagen, den sie vor sich her schob, stießen die vielen Gläser und Flaschen leicht aneinander und verursachten ein zartes Geläut.
    »Na, geht es noch immer um eschatologische Verkündigungen?«
    »Ja. Und du, bist du ganz frei von solchen Ängsten?«
    »Ja«, sagte sie, »seit ich die Menschen, die ich liebte, verloren habe, fürchte ich mich nicht mehr. Schlimmer konnte es für mich auf diesem Planeten nicht kommen.«
    Sie hatte das jedoch sehr erregt gesagt und bei jeder Silbe die Champagnerflasche in ihren Händen geschüttelt. Da sie die Aluminiumfolie vom Flaschenhals und den Haltedraht schon entfernt hatte, schoss der Korken steil heraus und traf einen der geschweiften Arme des elektrifizierten klassizistischen Deckenlüsters. Der geriet gewaltig in Schwingungen, und sein aufwendiger, eleganter Glasprismenbehang wurde so durchgeschüttelt, dass viele der blüten- und tropfenförmigen Kristalle herunterprasselten und dort, auf dem Parkett, in alle Richtungen versprangen.
    Nadine kicherte hysterisch.
    »Du hast Charlottes Lüster ramponiert«, sagte Johanna trocken.
    Das unfreiwillige Leuchterattentat hatte Leonie, die wohl doch nicht so katastrophenfest war wie behauptet, völlig aus der Fassung gebracht.
    »Zauberlehrlinge«, schrie sie unvermittelt, »die Menschen sind erbärmliche Zauberlehrlinge, Zwerge auf der Flucht vor den eigenen Erfindungen: Noch wissen sie nicht wohin mit dem atomaren Müll, schon müssen sie sich vor der Machtübernahme der Automaten fürchten und vor dem …«
    »Beruhige dich bitte, du hast keine Kernschmelze eingeleitet, du hast lediglich eine Lampe abgeschossen«, sagte Johanna.
    Zeitgleich mit Leonies schrillem Ausbruch waren auch die Laute, die aus der Bibliothek zu ihnen kamen, immer durchdringender und schärfer geworden. Jetzt konnten sie sogar die einzelnen Worte verstehen.
    »Also ist es wahr, antworten sie gefälligst«, hörten sie Charlottes Stimme.
    Die Antwort Rungholts konnten sie nicht verstehen. Er musste jedoch irgendetwas gesagt haben, denn Charlotte reagierte im Ton höchster Empörung:
    »Das ist ja unglaublich!«
    Auch jetzt kein Laut von Rungholt. Er redete offensichtlich sehr viel leiser.
    Dann sprach Charlotte, nein, sie sprach nicht, sie schrie:
    »Sie geben es also frech zu!«
    Erneut war die Antwort, wenn es denn eine gab, nicht zu verstehen.
    Für einige Minuten war es ganz still geworden im Nebenraum.
    Die drei Lauscherinnen sahen sich fragend an. Fiel die Antwort Rungholts diesmal länger aus? Oder war das Gespräch wieder in ein ruhigeres Fahrwasser geraten?
    In den nächsten Minuten übertönten das mächtige Geläut des Doms alle Geräusche.
    Kaum war es verklungen, überraschte sie ein dumpfes Poltern.
    »Hoppla«, sagte Johanna.
    Wieder lauschten sie angestrengt, konnten aber nichts mehr hören.
    Stille.
    Und wieder waren sie ratlos.

Salon (18 Uhr 03)
    Bevor sie erwägen konnten, ob man da vielleicht einmal nachsehen müsste, erschien Charlotte in der Türe. Sie hielt einen Schürhaken aus Schmiedeeisen in der Hand. Das sah gefährlich aus und ließ nichts Gutes ahnen.
    »Was ist passiert?«, fragte Johanna.
    »Ich habe Rungholt erschlagen«, sagte Charlotte.
    »Ach, du liebe Güte«, sagte Johanna.
    (Ein schwacher Kommentar.)
    »Heiliger Bimbam«, sagte Nadine.
    (Das war auch nicht besser – so etwas sagte man in den fünfziger Jahren, wenn ein Kompottschüsselchen heruntergefallen war.)
    Leonie schlug die Hände vors Gesicht und sagte gar

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