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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Bovenschen
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nichts.
    (Das war angemessen.)
    Johanna fragte: »Wie hast du …?«
    Charlotte hielt den Schürhaken in die Höhe.
    (In dieser Haltung glich sie einer Gorgo.)
    »Du hast ihn eigenhändig erschlagen?«, fragte Johanna.
    »Wie ich schon sagte: Ein einziger Hieb direkt an die Schläfe, und er fiel vom Stuhl. Ich wusste gar nicht, dass ich so etwas kann.«
    Johanna fragte weiter: »Bist du sicher, dass er tot ist?«
    »Ja, ich habe ihn untersucht. Kein Puls, keine Augenr…«
    Langsam hatte sich das Gehörte in den Hirnen der drei Freundinnen zu einer schockierenden Nachricht gefestigt.
    Johanna sprang auf.
    Nadine stieß einen seltsamen gurgelnden Laut aus.
    Leonie schlug wieder die Hände vors Gesicht.
    Nach einer kurzen Atemlosigkeit kam das Entsetzen zu Wort, und sie sprachen hochgradig erregt alle drei gleichzeitig oder leicht versetzt.
    Ein Außenstehender hätte kaum noch etwas verstanden.
    »Himmel«, sagte Johanna.
    »O Gott«, sagte Leonie.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Nadine.
    »Hast du wirklich … hast du wirklich ›erschlagen‹ gesagt?«, fragte Leonie.
    »Ja.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Nadine nochmals.
    »Bist du sicher, dass er tot ist?«, fragte Johanna nochmals.
    »Ja.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Nadine.
    »Aber warum?«, fragte Leonie.
    »Ich glaub das nicht«, sagte Nadine abermals, als habe sie keine anderen Worte mehr.
    »Du hast ihn wirklich getö…« Leonie konnte das nicht aussprechen.
    »Wie?«, fragte Johanna.
    »Ich sagte es schon. Mit dem Schürhaken. Ein wuchtiger Hieb direkt an seine Schläfe. Er war sofort tot. Ich habe gestaunt.«
    »Ist er wirklich tot?«, fragte Johanna zum dritten Mal.
    »Ja.«
    »Warum, um Gottes willen, warum hast du das getan?«
    »Es musste wohl sein.«
    »Hat er dich angegriffen?«
    »Nein, jedenfalls nicht tätlich.«
    »Das ist ein Witz«, sagte Johanna, sie sah aber nicht belustigt aus.
    Nadine hatte einen Schluckauf.
    Dann war es still.
    Dann prasselten kurz nacheinander noch drei Kristalltropfen von dem ramponierten Leuchter auf das Parkett. Ihr Aufprall wirkte wie eine kleine Detonation.
    Dann knarrte das Parkett müde.
    Nadine wimmerte leise.
    Johanna war die Erste, die sich wieder etwas fasste: »Warum, um Gottes willen, warum hast du das getan?«
    Noch bevor Charlotte antworten konnte, sagte Nadine:
    »Wir haben deinen Lüster abgeschossen.«
    Darauf ging Charlotte nicht ein.
    Verständlich.
    Sie stand immer noch in der Türe, den Schürhaken in der Hand. Furchteinflößend.
    »Leg bitte das Ding weg«, sagte Johanna.
    Charlotte warf den Schürhaken achtlos in den Raum.
    Dort lag er nun inmitten von Blüten und Tropfen aus geschliffenem Kristall, die das schräg hereinfallende Sonnenlicht funkelnd in seine Spektralfarben zerlegten.
    »Setz dich, du bist sicher erschöpft und ganz durcheinander«, sagte Leonie.
    »Ich bin nicht erschöpft und keineswegs ›durcheinander‹. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht durcheinander, wie du das nennst.«
    Johanna wiederholte ihre Frage: »Warum hast du das getan?«
    »Der Kerl hat mein ganzes Vermögen veruntreut, komplett zum Verschwinden gebracht, meine Unterschrift mehrfach gefälscht, mit den übelsten Tricks Unsummen in die eigene Tasche gewirtschaftet, verdeckt, verschoben, verschleiert …«
    Charlotte setzte sich.
    »Gebt mir bitte eine Zigarette.«
    Charlotte fischte sich in aller Ruhe eine Zigarette aus der Packung, die Johanna ihr hinhielt, und zündete sie an. Da war nicht die mindeste Erregung in ihren Bewegungen, kein Zittern, keine Unsicherheit, nichts.
    »Und du hast die ganze Zeit nicht bemerkt, was der Kerl da trieb?«, fragte Leonie.
    Zum Erstaunen ihrer Freundinnen wirkte Charlotte auch bei der folgenden Erklärung sehr ruhig.

Salon (fortlaufend)
    »Rungholt hat mich seit über fünfundzwanzig Jahren in allen finanziellen Angelegenheiten beraten. Er hat das in früheren Zeiten zuverlässig und kompetent getan. Soll heißen: Er hat mein Vermögen umsichtig vermehrt. Ich musste nie einen seiner Vorschläge bereuen. Selbstverständlich habe ich ihn angemessen entlohnt. Selbstverständlich hatte ich immer ein scharfes Auge auf ihn. Selbstverständlich, ich bin ja keine Idiotin.
    Bis auf die letzten acht Jahre. Ich war sehr beschäftigt mit dem Umbau der Villa. Auch die ständigen Querelen mit meinem Sohn und meiner Schwiegertochter haben mich abgelenkt … Und als mir einige der Transaktionen, die Rungholt in die Wege leitete, doch etwas dubios erschienen, hat er

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