Nur nicht aus Liebe weinen
rotes Tuch. Angriffslustig erwiderte sie: „Wie meinst du das?“
Daniel seufzte. „Warum, meinst du, hat es Simon immer wieder in die Berge gezogen? Weshalb war jeder seiner verdammten Aufstiege gefährlicher, länger und anstrengender als der vorherige?“ Der bittere Schmerz in seiner Stimme ließ erahnen, wie sehr auch er Simon vermisste. „Herrgott, Laine, nenn mir einen Grund dafür, dass ihn niemand von dem letzten Aufstieg abbringen konnte.“
Daniels harte Worte schnürten ihr die Kehle zu. „Ich weiß es nicht“, brachte sie leise hervor. „Ich hab es doch auch nie verstanden.“
„So ging es uns allen.“
Laine starrte blicklos vor sich hin. „Vielleicht liegt das ja bei uns in der Familie. Diese Suche nach dem großen Abenteuer. Bis es irgendwann schiefgeht.“ Unwillkürlich massierte sie ihren Knöchel. „Aber eigentlich bin ich nicht wie meine Brüder.“ Für einen kurzen Moment sah sie Daniel fragend an.
Er unterdrückte ein Grinsen. „Aber offensichtlich bringst auch du dich gelegentlich in Schwierigkeiten. Wie geht es deinem Fuß?“
„Besser. Dem Gang zur Jobvermittlung steht also nichts mehr im Weg.“
„Sehr gut. Du warst wohl heute sehr fleißig. Irgendetwas riecht sehr lecker.“ Er deutete in Richtung Küche.
Unwillkürlich spürte Laine, wie ihr bei seinem Lob die Röte in die Wangen schoss. „Na ja, du hast mir immerhin einen Weg durch Jamies Chaos gebahnt. Als Dankeschön habe ich für dich gekocht. Auf der Speisekarte steht Hähnchen alla puttanesca, wenn du magst.“
„Wie nett, aber danke, nein. Ich bin nur hier, um mich für meine Verabredung umzuziehen.“
Seine kühle Zurückweisung versetzte ihr einen Stich, doch sie verbarg ihre Enttäuschung hinter einem gleichgültigen Lächeln. „Oh, eine aufregende Verabredung?“
„Jede Verabredung mit mir ist aufregend.“
„Bist du dir sicher?“
Siegessicher lächelte er: „Meine Liebe, im Grunde geht dich das gar nichts an.“
Warum war er nur so verdammt selbstbewusst? Laine holte tief Luft. Sie durfte die Beherrschung nicht verlieren! Ganz gewiss wollte Daniel sie nur provozieren. „Natürlich betrifft mich das. Für das junge Glück wäre es doch viel romantischer, in den eigenen vier Wänden ungestört zu sein, anstatt immer Rücksicht auf einen Mitbewohner nehmen zu müssen“, konterte sie.
Er verzog keine Miene. „So weit sind wir noch nicht. Und vielleicht sollten wir auch gleich ein paar Dinge klarstellen, Laine. Da du vor zwei Jahren jegliches Recht verloren hast, dich in mein Privatleben einzumischen, brauchst du dich um meine Verabredung nicht zu sorgen. Diese Frau weiß, worauf sie sich einlässt, denn im Gegensatz zu dir ist sie erwachsen.
Du bist nicht mehr Simons kleine Schwester, und ich ganz sicher nicht dein Ersatz-Bruder. Uns verbindet nichts weiter als die Kosten für diese Wohnung. Jeder lebt sein Leben. Und es wird keine gemütlichen Kochabende geben.“
Vor lauter Wut und Enttäuschung drohte ihr die Stimme zu versagen. Mühsam erwiderte Laine: „Ehrlich gesagt sehe ich dich auch nicht als den heimeligen Typ, Daniel. Die Zutaten, die ich für das Abendessen aus dem Kühlschrank genommen habe, werde ich dir selbstverständlich bezahlen.“
Ein wütendes Funkeln machte sich in Daniels Augen bemerkbar. „Laine, mach dich nicht lächerlich. Ich möchte nur nicht, dass das zur Gewohnheit wird. Wir sollten uns irgendwie mit der Situation arrangieren. Aber wenn jeder sein Leben lebt, sollten wir es doch schaffen. Du hast schließlich immer darauf bestanden, dass die Privatsphäre des anderen respektiert werden muss.“
Laine holte tief Luft. Sie würde diesem verdammten Kerl nicht zeigen, wie sehr er sie mit seiner Bemerkung getroffen hatte! Also nickte sie wortlos und beobachtete schweigend, wie Daniel sein Glas leerte und kurz darauf fröhlich pfeifend in seinem Zimmer verschwand.
Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten. Was bildete er sich nur ein. Ganz gleich wie absurd ihr Zusammenleben war, sie würde nicht länger klein beigeben.
Wenige Minuten später kam Daniel zurück. Bevor er die Wohnungstür öffnete, drehte er sich noch einmal zu ihr um und sah sie mit ernstem Blick an. „Übrigens, Laine: Du musst weder heute noch an irgendeinem anderen Abend auf mich warten. Ich brauche keine Aufpasserin.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten zog er die Tür hinter sich zu.
Dir auch einen schönen Abend, dachte Laine, während sie ihren Frust an der Pfeffermühle ausließ.
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