Nur nicht aus Liebe weinen
Celia Welton sie über die Weihnachtsferien zu sich eingeladen hatte. „Diese Schule ist das Beste, was mir je passiert ist!“ Erschöpft, aber glücklich lehnte sich Laine zurück.
„Das freut mich sehr.“
Jedem von Daniels weiteren Besuchen hatte Laine erwartungsvoll entgegengefiebert. Die Gerüchteküche in der Schule begann zu brodeln. Doch Laine versicherte allen, die es hören wollten, dass Daniel für sie nur wie ein Bruder war.
Habe ich mir womöglich schon damals etwas vorge macht?
Sie liebte Daniel. Eine andere Erklärung gab es wohl nicht für die weichen Knie, die sie plötzlich in seiner Gegenwart bekam. Eine völlig andere Sehnsucht nach ihm erweckte Fantasien in ihr, die sie später erröten ließen.
Völlig verwirrt über diesen Sturm der Gefühle, hatte Laine schließlich versucht, weitere Zusammentreffen mit Daniel zu verhindern. Doch auf Abbotsbrook ließen sich weder das Schwimmteam noch die Hausaufgaben vorschieben, um ihm aus dem Weg zu gehen.
Zwar waren er und Simon bei ihren Besuchen dort meistens unterwegs. Doch die neue, in der Regel blonde und langbeinige Gesellschaft der beiden beunruhigte Laine immer wieder zutiefst.
Weitaus größere Sorgen allerdings bereitete ihr Angelas ständiges Wehklagen über die finanzielle Situation. Obwohl Simon seinen Traumjob als Förster aufgegeben hatte und nun in einer Bank arbeitete, war ihre Mutter noch immer nicht zufrieden. Daher überraschte es kaum, dass Simon einen Großteil seiner Freizeit in den Bergen verbrachte. Inzwischen hatte er als anerkannter Bergsteiger sogar schon an mehreren Expeditionen in die Alpen und Dolomiten teilgenommen. Laine spürte jedoch, dass er noch höher hinauswollte. Aber das war nicht der einzige Grund, warum sie sich um Simon sorgte.
Als er Laine vor einigen Monaten besucht hatte, hatte er ihr von einem zufälligen Treffen mit einer alten Bekannten erzählt. „Erinnerst du dich noch an Candy? Vor Jahren war sie mal mit Dan zusammen.“
„Natürlich“, hatte Laine gemurrt. Wie sollte ich die ver gessen? Danach hatte sie insgeheim gehofft, es würde bei diesem einen Treffen bleiben. Doch stattdessen war Candy plötzlich zu einer Art Dauergast auf Abbotsbrook geworden. Bei jedem Treffen schien sie sich besser mit Angela zu verstehen. Was wohl hauptsächlich daran lag, dass Candida Angela fortwährend umschmeichelte und entweder das prächtige Anwesen oder die literarischen Meisterwerke von Graham Sinclair lobte. Ich möchte wetten, sie hat kein einziges von Vaters Büchern jemals in der Hand gehabt, dachte Laine trotzig.
Zu ihrem großen Bedauern schien es weder Simon noch Angela zu stören, dass Candida Daniels Exfreundin war. Angela nahm Candida gegen jegliche Kritik in Schutz. Und Laine musste zähneknirschend mit ansehen, wie Candida in jenem Sommer ihre Hochzeit mit Simon vorbereitete.
Doch sosehr sie ihre zukünftige Schwägerin auch verabscheute – in einem einzigen Punkt waren Candida und Laine völlig einer Meinung: Beide fürchteten Simons Besessenheit, wenn es um das Bergsteigen ging.
Seine Leidenschaft wurde immer extremer. Kein Gipfel war ihm hoch genug, keine Gefahr zu groß. Und weder seine Schwester noch seine zukünftige Frau konnten ihn aufhalten. Bis es schließlich zu spät war …
Ein bitterer Schmerz machte sich in Laine breit, als sie sich an den Tag erinnerte, an dem Mrs. Hallam sie in ihr Büro gerufen hatte.
Auf dem Weg dorthin hatte Laine angestrengt gegrübelt, was sie wohl angestellt haben könnte. Umso mehr überraschte es sie, Mrs. Hallam niedergeschlagen und wortkarg zu sehen. Behutsam griff die Rektorin nach ihrer Hand. „Meine liebe Laine, du musst jetzt sehr stark sein.“ Dieser Satz brachte alles um Laine herum zum Erstarren. Nur ein einziger Gedanke pochte in ihrem Kopf: Hoffentlich ist Da niel okay. Bitte mach, dass es ihm gut geht.
Wie in Trance nahm sie wahr, was dann folgte. „Elaine, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Es ist … dein Bruder Simon. Er und ein anderer Mann sind bei der Himalaja-Expedition verunglückt. Für beide kam jede Hilfe zu spät.“
„Das ist nicht wahr, Sie lügen!“, stieß Laine hervor, völlig übermannt von Verzweiflung und Entsetzen. Sie schämte sich zutiefst, dass sie zunächst an Daniel gedacht hatte.
Mrs. Hallam erhob sich schwerfällig, geleitete Laine zu dem großen Sessel und ließ ihr einen Tee bringen. „Es tut mir so furchtbar leid. Ich lasse Celia rufen, damit sie bei dir bleibt, bis du abgeholt
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