Nur Wenn Du Mich Liebst
Lippen verzogen sich zu einem zuckenden Lächeln.
»Nein, es geht dir vielmehr sehr gut. Die Ärzte haben zweifelsfrei eine Verbesserung festgestellt.«
»Susan.« Ihre Mutter schlug die Augen auf, sagte jedoch nichts weiter, als hätte das Aussprechen des Namens ihrer Tochter sie schon vollkommen ausgelaugt.
»Ich will nichts Negatives hören. Du weißt doch, dass sie immer betonen, wie wichtig positives Denken ist.«
»
Sie
leiden ja auch nicht ununterbrochen Schmerzen«, flüsterte ihre Mutter langsam.
»Hast du jetzt Schmerzen, Mom? Soll ich etwas besorgen?«
Ihre Mutter nickte matt. Sofort klingelte Susan nach der Schwester.
»Wir besorgen dir was, Mom.«
Etliche lange Minuten später tauchte eine Schwester in der Tür auf. Sie war groß und eckig und trug eine kleine randlose Brille auf einer langen, patrizischen Nase.
»Meine Mutter hat Schmerzen«, sagte Susan, bemüht, jeden scharfen Unterton zu vermeiden. Warum hatte die dumme Schnepfe so lange gebraucht? »Sie braucht ein Schmerzmittel.«
»Ich frage beim Doktor nach«, sagte die Schwester und war schon wieder verschwunden, bevor Susan die Chance hatte, noch etwas zu sagen.
»Möchtest du einen Schluck Wasser, Mom?« Susan hatte das Gefühl, im Umgang mit ihrer kranken Mutter ebenso hilflos zu sein wie mit ihrer älteren Tochter. Mütter und Töchter, dachte sie. Gibt es eine Beziehung, die noch komplizierter, noch stärker von Sorgen geprägt ist?
Susan goss Wasser aus dem Krug auf dem Nachttisch in ein Glas und führte es an die rissigen Lippen ihrer Mutter. Sie beobachtete, wie ihre Mutter die klare Flüssigkeit ergeben schluckte, obwohl sie bezweifelte, dass irgendetwas davon in ihrer Kehle ankam. »Ich liebe dich, Mom.«
»Ich liebe dich auch, mein Schatz.«
»Es gibt so viel, was ich dir sagen will.«
»Du hast ein gebanntes Publikum.« Ihre Mutter versuchte zu lächeln, verzog jedoch stattdessen vor Schmerzen das Gesicht.
Susan blinzelte gegen ihre Tränen an und hielt ihr bebendes Kinn fest. Konnte sie all das, was sie im Herzen hatte und was gesagt werden musste, wirklich aussprechen, ohne zusammenzubrechen? »Ich wollte mich bloß bedanken«, begann sie langsam. »Für alles, was du für mich getan hast. Dafür, dass du mir mit den Kindern geholfen hast und immer für mich da bist, wenn ich dich brauche. Dafür, dass du mich liebst und dein ganzes Leben lang so gut auf mich aufgepasst hast.«
Tränen kullerten über die Wangen ihrer Mutter.
Sie begreift, dass ich mich von ihr verabschiede, erkannte Susan. »Ich möchte, dass du weißt, dass es eine große Freude und Ehre war, dich zu kennen«, fuhr sie fort, ohne ihre Tränen weiter zu verbergen. »Du bist die beste Mutter, die ein Mädchen sich wünschen kann. Und ich liebe dich so sehr.«
»Es war mir ein Vergnügen, Liebes«, sagte ihre Mutter und versuchte zu lächeln. Stattdessen entwich ihr ein leiser Schmerzensschrei.
Susan war sofort aufgesprungen.
»Wo tut es weh, Mom?«
»Überall.«
Susan blickte hektisch zur Tür. »Die Schwester sollte jeden Moment mit dem Schmerzmittel hier sein.« Wo blieb die verdammte Frau? Warum brauchte sie so lang? Wenn sie nicht bald zurückkam, wenn sie nicht
in dieser Sekunde
zurückkam, würde Susan einen wütenden Brief an die Krankenhausleitung schreiben. Nein, noch besser: Sie würde einen Artikel für die
Cincinnati Post
darüber schreiben und dafür sorgen, dass das Thema angemessene Beachtung fand, selbst wenn sie dafür das Krankenhaus verklagen musste. Patienten sollten nicht unnötig leiden. Ihre Mutter sollte ihre letzten Tage nicht unter quälenden Schmerzen verbringen.
Wie aufs Stichwort ging die Tür auf. »Gott sei Dank«, sagte Susan. Aber es war nicht die Schwester, sondern nur ein Pfleger mit dem Essenswagen. Er war ein kleiner schwarzer Mann, dessen kahler Kopf glänzte wie eine Bowlingkugel. »Abendessen«, verkündete er.
Susan sah auf die Uhr. Es war gerade erst vier Uhr Nachmittag.
»Das Frühaufsteher-Spezialmenü«, sagte der Pfleger, als er Susans fragenden Blick sah, und hob die Deckel von den Tellern. »Mal sehen, was die Damen bestellt haben. Roastbeef in leckerer brauner Sauce für Mrs. Unger und Hühnchen in leckerer brauner Sauce für Mrs. Hill. Gute Wahl, meine Damen«, bemerkte er und stellte das Essen auf den Tabletts ab. »Nicht zu vergessen den Wackelpudding mit Limonengeschmack für Mrs. Unger und den Wackelpudding mit Kirschgeschmack für Mrs. Hill. Ich persönlich empfehle Kirsch.
Bon
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