Nur Wenn Du Mich Liebst
den Pseudo-Südstaaten-Gentleman-Charme, für den er zunehmend berühmt wurde.
»Hey, selber Darling. Wie läuft's?« Mühelos verfiel Vicki in denselben trägen Sprachduktus, ein mythisches Land, in dem verflixte Substantive und Verben nach Belieben verschwanden und Endungen gerne vernuschelt wurden.
»Ich schlag mich so durch«, erklärte er.
Vicki stellte sich vor, wie er mit einer Hand langsam durch sein dichtes graues Haar fuhr. Gott sei Dank war er nicht wie so viele andere Männer mit fünfzig kahl geworden. Und er hatte auch darauf geachtet, dass sein Bauchumfang mit den Exzessen und Unvermeidlichkeiten des fortschreitenden Alters nicht ausladend geworden war. Nein, Jeremy Latimer war mit vollem Haupthaar gesegnet und arbeitete hart daran, seine von Natur aus schlanke Statur zu behalten, indem er gesund aß und regelmäßig Sport trieb. Das schrieb Vicki sich gern selbst zugute, denn möglicherweise hatte die Tatsache, dass er mit einer ein Vierteljahrhundert jüngeren Frau verheiratet war, ihren Mann besonders motiviert, sich eine jugendliche Erscheinung zu bewahren.
»Rose hat angerufen«, sagte Jeremy und meinte das Kindermädchen ihrer beiden kleinen Kinder. »Offenbar hat man Kirsten wegen eines leichten Fiebers aus der Schule nach Hause geschickt.«
»Ja, Kirsten hat ein paar Mal hier angerufen. Die arme Kleine. Ich ruf sie an und frag sie, wie's ihr geht.«
»Meinst du, dass du heute Abend bei ihr zu Hause bleiben musst?«
»Ich bin sicher, es ist nichts, womit nicht auch Rosie klarkommt. Mach dir keine Sorgen«, beruhigte Vicki ihren Mann. »Ich werde heute Abend im vollen Ornat bei diesem Dinner auflaufen.«
»Darling«, sagte Jeremy lachend, bevor er auflegte, »ich liebe es, wenn du im vollen Ornat aufläufst.«
Vicki rief zu Hause an und vernahm mit Erleichterung, dass ihre Tochter schlief. Nun musste sie also doch keine kostbare Zeit mit dem Versuch vergeuden, sich intelligent mit einer Siebenjährigen zu unterhalten. Sie warf einen Blick auf das Foto ihrer beiden Kinder in dem silbernen Rahmen, auf dem Kirsten ihren sommersprossigen Arm schützend um ihren jüngeren Bruder gelegt hatte und beide Kinder in die Kamera lächelten, wobei Joshs Lächeln angespannt und zögerlich wirkte, während Kirsten von einem Ohr zum anderen grinste, den Mund zu einem riesigen »Aah« aufgerissen, als wollte sie den Fotografen mit Haut und Haaren verschlingen. Ihre Schneidezähne fehlten. »Ja! Und wo liegt das Problem?«, schienen die Augen des Kindes fröhlich herausfordernd zu fragen.
Was habe ich eigentlich mit den Zähnen gemacht?, fragte Vicki sich abwesend und erinnerte sich, dass Barbara ihr ein kleines silbernes Zahndöschen geschenkt hatte, um sie darin aufzubewahren. Sie hatte immer vorgehabt, die Entwicklung der Kinder in einem Notizbuch festzuhalten, war jedoch nie dazu gekommen. Jetzt war es zu spät. Die Milchzähne waren für immer verloren, die rotgoldenen Locken weggefegt, die ersten Worte längst vergessen. Nicht, dass sie keine gute Mutter wäre, versicherte sie sich selbst. Sie würde bloß eine noch bessere Mutter sein, wenn ihre Kinder älter und interessanter waren. »Was ist mit der Nummer, die ich Ihnen gegeben habe?«, fragte Vicki bei ihrer Sekretärin nach.
»Immer noch besetzt. Aber ich habe die Nummer der Universitätsklinik, nach der Sie gefragt haben.«
»Danke.« Vicky notierte sie. »Versuchen Sie es weiter bei Mrs. Malarek.«
In einem kurzen Telefonat mit dem Krankenhaus erfuhr Vicki, dass Barbara die OP hinter sich und den Aufwachraum bereits verlassen hatte und nur noch darauf wartete, von ihrem Mann abgeholt zu werden, der sich offenbar verspätet hatte. »Es geht ihr gut«, berichtete Vicki ihrem leeren Büro und legte den Hörer wieder auf die Gabel, bevor sie ihn erneut abhob und selbst versuchte, Chris zu erreichen, jedoch wieder nur dasselbe ärgerliche Besetztzeichen bekam. Mit wem redete Chris bloß so lange, verdammt noch mal? Sonst dauerten ihre Telefonate nie länger als ein paar Sekunden, weil Tony scheinbar ständig hinter ihr stand, sie unterbrach oder rief. Sie hatte keine Zeit für ein normales Gespräch mehr. Sie hatte keine Zeit mehr für ihre Freundinnen. Sie hatte keine Zeit mehr für irgendwas. Aber wer brauchte auch Zeit, wenn er kein Leben hatte? Und Chris hatte weiß Gott kein Leben. Hatte sie deswegen angerufen? Waren das die Möglichkeiten, von denen sie gesprochen hatte? Die Möglichkeiten, ihr Leben zurückzubekommen?
Das Telefon
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