Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
auf – die normale Reaktion einer Mutter, die ihr Kind in Gefahr wähnt. Es war noch stockfinster in ihrem Schlafzimmer, doch sie spürte Chrissys Hand, die sie an der Schulter rüttelte. »Schatz, was ist denn? Bist du krank?« Sie streckte die Hand aus und schaltete das Licht ein. Blinzelnd sah sie sich in der plötzlichen Helligkeit um.
Chrissy kniete neben ihrem Bett. Sie war vollständig angekleidet, einschließlich ihrer Turnschuhe. »Nein, mir fehlt nichts«, sagte Chrissy. »Es ist wegen Callum. Mummy, du musst aufstehen!«
»O nein, ich bitte dich, Chrissy! Fang nicht schon wieder damit an.« Sie hatten sich am Abend heftig gestritten. Als das Telefon geklingelt hatte, war Chrissy hingegangen und anschließend mit einer höchst unglaubwürdigen Geschichte zu ihr gekommen. Angeblich war Callum krank. Alison hatte angenommen, dass es ein Trick von Callum war, mit dem er sich wieder ihre Sympathie erschleichen wollte, und hatte sich geweigert, darauf einzugehen. Was sie besonders wütend gemacht hatte, war, dass er ihr Kind für diese billige Masche missbraucht hatte.
Als Chrissy hinzugefügt hatte, Callum habe gesagt, mit dem Whisky sei etwas nicht in Ordnung, hatte Alison ihre Theorie als erwiesen angesehen. Sie hatte Chrissys inständiges Flehen ignoriert und war zu Bett gegangen.
»Ich habe versucht, ihn zurückzurufen«, sagte Chrissy jetzt. »Und er ist nicht drangegangen.«
»Natürlich ist er nicht drangegangen.« Alison sah auf die Uhr und stöhnte auf. »Es ist schon nach eins.«
»Nein, ich habe es immer wieder versucht, seit du ins Bett gegangen bist. Ich konnte nicht schlafen.«
»So, so, du raffiniertes –«
»Mummy, bitte!«, flehte Chrissy beharrlich, das Gesicht in kummervolle Falten gelegt. »Ich weiß, dass etwas passiert sein muss. Callum hat ganz anders geklungen als sonst, und im Hintergrund habe ich Murphy winseln gehört. Bitte! Wir müssen hinfahren.«
»Wenn du glaubst, ich fahre mitten in der Nacht zu diesem verfluchten Reitstall raus…«, begann Alison, doch sie brachte ihre Tirade nicht zu Ende. Erste Zweifel hatten sich in ihr zu regen begonnen. Sie hatte ihre Tochter noch nie so hartnäckig erlebt, und Chrissy neigte weiß Gott nicht zum Dramatisieren. Wenn nun… wenn vielleicht doch eine ganz entfernte Möglichkeit bestand, dass Chrissy Recht hatte?
Sie könnte die Polizei anrufen – das wäre die logische Vorgehensweise –, aber was würde sie sagen? Dass ihre neunjährige Tochter ihr erzählt hatte, Callum MacGillivray habe sich mit schlechtem Whisky vergiftet? Die Polizei würde glauben, dass sie den Verstand verloren hätte, und das wäre auch die Reaktion, wenn sie Callums Tante Janet anriefe.
»Mummy –«
»Ach, na schön.« Alison warf die Bettdecke zurück und schob Chrissy beiseite. Sie brauchte jetzt dringend eine Zigarette, und dazu musste sie sowieso vor die Tür gehen. Eine Autofahrt würde ihr wenigstens die Gelegenheit geben, in Ruhe eine zu rauchen. »Aber eins sag ich dir: Dafür hab ich ordentlich was gut bei dir.«
Chrissy unterdrückte einen Aufschrei der Erleichterung und lächelte.
»Okay, also schlüpf schon mal in deine Jacke, während ich mir was anziehe.« Mein Gott, ich bin wirklich zu blöd, dachte Alison, während sie hastig in ihre Jeans stieg und die Stiefel anzog – mindestens so blöd wie Callum MacGillivray. Sie hatte nicht mehr viel Benzin im Tank, und ihre Klapperkiste war auch so schon nicht sonderlich zuverlässig; sie hatte kein Handy, weil sie sich keins leisten konnte, und sie musste morgen früh den Laden aufschließen, was bedeutete, dass sie eine halbe Stunde früher als sonst auf der Matte stehen musste.
Sie war mehr als nur blöd, sie war vollkommen bescheuert.
Chrissy wartete schon an der Tür auf sie, eingemummt in ihren pinkfarbenen Anorak, in der Hand eine kleine Taschenlampe, die sie immer für Stromausfälle bereithielten. »Braves Mädchen«, sagte Alison und drückte sie flüchtig an sich, ehe sie die Treppe hinuntergingen.
Im ersten Moment dachte sie, ihre alte Karre würde sie im Stich lassen, doch beim zweiten Versuch sprang der Motor an. Die Nacht war recht kühl, aber nicht so kalt, dass man wie Chrissy mit den Zähnen klappern musste. Während sie über die verlassene Landstraße von Aviemore in Richtung Norden fuhren, drehte Alison die Heizung bis zum Anschlag auf und sagte: »Es wird schon nicht so schlimm sein, Schatz. Wirst schon sehen.«
Chrissy erwiderte leise: »Mummy, als du dem
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