Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
seiner Hand entfernt schimmerte etwas Metallisches – sein Handy. Sie hob es rasch auf, musste aber feststellen, dass der Akku leer war. Sie wusste, dass Callum ihn immer nur in seinem Bus auflud.
Mit einem unterdrückten Fluch eilte sie zur Tür und schlüpfte hindurch. »Hier, Chrissy, nimm die Taschenlampe und lauf zu dem großen Haus. Du musst Callums Tante wecken und ihr sagen, sie soll einen Krankenwagen rufen.«
Chrissy starrte sie an; in dem kleinen, blassen Gesicht wirkten ihre Augen riesig. »Aber – wird er wieder gesund?«
»Ich weiß es nicht, Schatz«, antwortete Alison aufrichtig. »Wir müssen Hilfe holen – einen Arzt. Also mach schon, beeil dich.«
Chrissy nickte nur und lief auf das Bauernhaus zu. Auf dem unebenen Boden war ihr Gang noch unsicherer als sonst. Der Hund setzte sich unterdessen neben die Tür und sah Alison vorwurfsvoll an.
»Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?«, fragte sie laut, ging aber dann wieder hinein. Sie wagte es nicht, Callum von der Stelle zu bewegen, weil sie Angst hatte, es könnte seinen Zustand noch verschlimmern. Aber immerhin konnte sie ihn zudecken – so viel war ihr noch aus dem Erste-Hilfe-Unterricht in der Schule in Erinnerung geblieben. Sie nahm die Tartandecke von seinem schmalen Bett und breitete sie vorsichtig über ihn.
Das Nächste, was ihr spontan einfiel, war, dass sie die Schweinerei wegwischen müsste, doch als sie schon auf dem Weg zum Spülbecken war, um einen Lappen zu holen, dämmerte ihr plötzlich die Erkenntnis. Wenn mit dem Whisky irgendetwas nicht in Ordnung war, dann sollte sie hier nichts anfassen oder verändern. Sie sah die grüne Glasflasche auf dem Tisch stehen, auf dem Fußboden daneben lag ein umgekippter Keramikbecher.
Sie wusste, dass Callum kein starker Trinker war – jedenfalls hätte er sich nie bis zur Bewusstlosigkeit betrunken. Warum hatte sie nicht auf Chrissy gehört? Callum mochte blöd sein, er mochte ihr auf den Geist gegangen sein, aber er hatte sie nie angelogen – er hatte ihr nur Dinge gezeigt, die sie nicht hatte sehen wollen.
Warum hatte sie geglaubt, er würde eine Krankheit vortäuschen, nur um ihr Mitgefühl zu gewinnen? Er hatte sie angerufen, weil er Hilfe brauchte, und sie hatte abgelehnt – sie hatte ihm verweigert, was sie jedem Fremden auf der Straße ganz selbstverständlich gewährt hätte.
Wenn er sterben sollte, würde sie sich das niemals verzeihen. Schlimmer noch – Chrissy würde ihr niemals verzeihen.
18. Kapitel
Es ist nicht gut, was Gott verbunden zu entzwei’n;
Wir werden stets des Windes und des Moorlands Kinder sein.
So weitab von der Heimat, ach, doch für uns beide
Blüht hoch im Norden noch der Ginster in der Heide!
Robert Louis Stevenson
aus einem Gedicht für Katherine de Mattos,
einem Exemplar von Dr. Jekyll
und Mr. Hyde beigelegt
Widerstrebend löste sich Gemma aus Kincaids Umarmung. Gerne hätte sie sich noch länger in ihrem Kokon aus zerknüllten Laken vor der rauen Wirklichkeit des Tages verkrochen und den Duft schlafwarmer Haut eingeatmet, doch ein kaltes, graues Licht fiel erbarmungslos durch das Fenster, und um sie herum erwachte das Haus bereits zum Leben.
»Was haben diese Urlaubsbetten bloß an sich?«, fragte sie gähnend. »Zu Hause fällt es einem nie so schwer, aus den Federn zu kommen.«
Kincaid sah sie mit ernster Miene an. »Das liegt wahrscheinlich daran, dass du mich die halbe Nacht wach gehalten hast.«
»Ich?« Sie warf ein Kissen nach ihm. »
Du
hast
mich
doch wach gehalten!« Als er sich abwandte und so tat, als sei er wieder eingeschlafen, rächte sie sich, indem sie ihm die Bettdecke wegzog.
»He, was fällt dir ein. So springt man mit einem Schotten nicht um!«
Sie sah ihn überrascht an. »Jetzt fängst du auch schon damit an. Das muss an der Luft liegen.«
»In meinem Fall wohl eher an meinem Vater«, meinte er grinsend und schnappte sich die Decke zurück. »Du solltest ihn mal kennen lernen.«
Gemma setzte sich auf die Bettkante. »Ja, du hast Recht. Und deine Mutter würde ich auch gerne mal wiedersehen. Kit wäre sicher begeistert – und Toby natürlich auch.« Sie zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Übrigens, wegen Kit… Rufen wir ihn heute Morgen an und klären, wie wir ihn wieder nach Hause bringen?«
Kincaid wurde wieder ernst. »Ich habe nachgedacht. Ich möchte lieber nicht am Telefon mit ihm über diese Geschichte mit Ian sprechen. Das geht nur unter vier Augen. Ich denke, wenn Nathan nichts
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