Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
nach, und auf Gemmas Versuche, das Gespräch wieder aufzunehmen, reagierte sie ausgesprochen wortkarg. Hatte Louise John etwa im Verdacht, in den Mord an Donald verwickelt zu sein? Oder argwöhnte sie lediglich, dass John eine Affäre hatte – vielleicht mit Alison Grant? Aber warum hatte Louise so überrascht reagiert, als Gemma erwähnt hatte, dass John zusammen mit Callum und Donald geangelt hatte? Sie konnte sich nicht vorstellen, wieso John etwas so Harmloses vor seiner Frau geheim gehalten haben sollte, und ebenso unwahrscheinlich erschien es ihr, dass Callum die Geschichte nur erfunden hatte.
Als Louise wenige Minuten später ankündigte, dass sie nach oben gehen und sich schlafen legen wolle, wünschte Gemma ihr eine gute Nacht und schlenderte hinüber ins Wohnzimmer. Auf dem niedrigen Tisch in der Mitte der Sitzgruppe stand eine halb leere Flasche Benvulin, und auf den tartanbezogenen Sesseln fläzten sich die drei Männer in verschiedenen Stadien der Trunkenheit. Johns Glas war großzügig gefüllt, Martins Gesicht war vom übermäßigen Genuss des edlen Getränks schon ganz rot und erhitzt, nur Kincaid schien kaum in Mitleidenschaft gezogen, wenngleich seine Augen ein wenig mehr glänzten als sonst.
»Ich versuche weiter, Ian ans Telefon zu kriegen«, sagte Kincaid zu Gemma, als sie sich zu ihm auf die Sessellehne setzte. »Seine Sekretärin hat mir versichert, dass er spätestens in einer Stunde wieder in seinem Büro sein wird. Wenn du dich schon mal hinlegen willst – ich komme dann so bald wie möglich nach.«
»Nein, bleiben Sie noch auf einen Drink.« John, der sich offenbar so weit gefangen hatte, dass er wieder den Gastgeber spielen konnte, machte Anstalten aufzustehen, doch Gemma schüttelte den Kopf. In der Annahme, dass Kincaid die whiskyselige Männerrunde noch ein wenig ausnutzen wollte, um seinen Mittrinkern auf den Zahn zu fühlen, räumte sie anstandslos das Feld.
Aber jetzt, als sie im Bett lag, wurde ihr klar, wie sehr Duncan ihr gefehlt und wie sehr sie sich darauf gefreut hatte, wieder mit ihm allein zu sein.
Mit einem Mal wurde sie von quälendem Heimweh gepackt. Früher am Abend hatte sie zu Hause angerufen und mit Wes und Toby gesprochen, und Toby hatte angefangen zu weinen, nachdem seine anfängliche Begeisterung über den Anruf sich gelegt hatte. Er liebte Wes heiß und innig, doch er vermisste Gemma, Duncan und Kit, und sie war sich sicher, dass er Wesleys Sorge um Kit an diesem Nachmittag gespürt hatte. Sie hatte ihr Bestes getan, ihn zu beruhigen, doch die Erinnerung an seine verängstigte, tränenerstickte Stimme ließ ihr keine Ruhe.
Und dann dachte sie an Kit – ob es ihm bei Nathan wohl gut ging? Und was konnte ihn bloß veranlasst haben, von zu Hause wegzulaufen? Irgendetwas musste ihn zutiefst verletzt haben, denn er war normalerweise ein vernünftiger und besonnener Junge, und er musste gewusst haben, dass seine Eltern krank vor Sorge sein würden. Sie wünschte, sie hätte mit ihm reden können, doch sie hatte sich mit Kincaid darauf geeinigt, dass sie damit warten würden, bis er mit Ian gesprochen hatte.
Irgendwann musste sie über ihrem Sorgenkatalog eingeschlafen sein, und die ängstlichen Gedanken, die sie sich um ihre eigene Familie machte, waren in einen Albtraum eingeflossen, in dem Holly nach ihrer Mutter gerufen hatte, während Tim mit blutigen Händen nach dem Kind gegriffen hatte.
Schwer atmend erwachte sie. Es war stockdunkel im Zimmer, und Kincaid schlüpfte gerade zu ihr ins Bett. Er roch ein wenig nach Whisky, und seine nackte Haut war kalt. »Wie – wie viel Uhr ist es?«, fragte sie benommen und versuchte sich aufzusetzen.
»Schsch. Es ist spät. Ich wollte dich nicht wecken.« Er legte den Arm um sie.
»Ich wollte doch wach bleiben.« Allmählich verflogen die Traumbilder, und sie war wieder ganz klar im Kopf. »Was ist jetzt mit Ian? Hast du mit ihm gesprochen?«
»Ja.« Kincaid klang wütend. Er drehte sich auf den Rücken und steckte sich ein Kissen in den Nacken. »Ich wollte es dir eigentlich erst morgen früh sagen, weil ich nicht glaube, dass du danach besonders friedlich schlafen wirst.«
Ian war noch nie ein mustergültiger Vater gewesen, auch nicht vor Vics Tod, und Gemma hatte gelernt, selbst seinen guten Absichten zu misstrauen. »O nein«, flüsterte sie mit pochendem Herzen. »Was hat er denn jetzt wieder angerichtet?«
»Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich es ihm aus der Nase gezogen hatte. Offenbar ist ihm klar
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