Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
allerhand zusätzliche Arbeit und Unannehmlichkeiten, wovon insbesondere die Dienstboten betroffen sind.
Und dann die Kinder! Seit die arme kleine Miss Andrews letzten Sommer so überstürzt nach London abgereist ist, haben sie ohne eine Gouvernante oder einen Hauslehrer auskommen müssen und waren gänzlich sich selbst überlassen, ohne jegliche Disziplin oder festen Tagesablauf. Der kleine Robert zeigte schon Anzeichen von Jähzorn, und Meg schien die hysterischen Launen ihrer Mutter imitieren zu wollen.
Schließlich sah ich mich gezwungen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, und so habe ich eine Gouvernante eingestellt, eine junge Frau aus einer guten Edinburgher Familie, mit der ich sehr zufrieden bin. Sie hat einen Stundenplan für die Kinder aufgestellt, mit festen Zeiten für Unterricht, Musizieren, Zeichnen und Spielen. Die Veränderung, die dies bewirkt hat, grenzt an ein Wunder. Schon nach vierzehn Tagen zeigten die Kinder erste Anzeichen einer charakterlichen Festigung.
Rab hat meine Entscheidung natürlich gutgeheißen, wiewohl er sich nicht dazu bewegen ließ, selbst etwas zu unternehmen. Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, dass er von der Brennerei sehr in Anspruch genommen war. Trotz seiner häufigen Reisen nach Edinburgh und Glasgow mit dem Ziel, vorteilhafte Geschäftsbeziehungen zu knüpfen, hat sich unsere Situation stetig verschlechtert. Zwar war die Ernte diesen Herbst so reichlich, dass wir mehr als genug Gerste haben, um die Produktion aufrechtzuerhalten, doch liegen unsere Bestände immer noch unverkauft auf Lager. Der Wegfall des Vertriebs über die Firma Pattison war ein schwerer Schlag, und ich fürchte, ehe der Winter um ist, werden unsere Rücklagen so weit aufgebraucht sein, dass wir nicht einmal mehr die Brennereiarbeiter werden bezahlen können.
Was mich immer wieder in Erstaunen versetzt, ist die plötzlich aufgeblühte Freundschaft zwischen Rab und Olivia Urquhart. Ich möchte meinem Bruder keineswegs irgendwelche Hintergedanken unterstellen, aber ich weiß, mit welcher Bewunderung, ja mit welchem Neid er mit angesehen hat, wie gut Carnmore diese finanzielle Schlechtwetterperiode überstanden hat.
Es ist vielleicht ein Segen, dass Margaret sich nicht in der Lage fühlte, der Halloween-Feier beizuwohnen, die einer der Pächter des Laird of Grant gestern Abend veranstaltete. Livvy war mit ihrem Sohn eigens aus Carnmore angereist; sie nutzen das schöne Wetter zu einem letzten Ausflug, bevor die Schneestürme die Braes wieder von der Außenwelt abschließen werden.
Jung und Alt vergnügten sich gleichermaßen auf dem Tanzboden, man spielte Äpfelangeln und suchte das Amulett, das im Porridge versteckt war, und diejenigen, die zum Schäkern aufgelegt waren, fanden bei diesen Aktivitäten reichlich Gelegenheit, verstohlene Blicke und Berührungen zu tauschen.
Bei aller Trägheit hat Margaret doch zwei scharfe Augen im Kopf, und es wäre ihr nicht entgangen, was sich zwischen Livvy Urquhart und meinem Bruder anbahnt. Es ist ihr ohne weiteres zuzutrauen, dass sie nicht nur auf Rache sinnt, sondern sie auch übt, und sie besitzt die notwendigen Beziehungen, um eine solche Vergeltungsaktion in die Wege leiten zu können.
Um Rabs guten Ruf mache ich mir keine Sorgen – Männer unseres Standes haben schöne Witwen schon immer als Freiwild betrachtet. Livvy Urquhart aber scheint mir so arglos zu sein, dass sie den Abgrund, der sich zu ihren Füßen auftut, gar nicht bemerkt. Sie hat weder die gesellschaftliche Stellung noch die notwendige Energie, eine solche Intrige durchzustehen, und würde sich, wie ich fürchte, nur in die Rolle des hilflosen Opfers drängen lassen. Und was ist mit ihrem Sohn? Was wird aus seinen Zukunftsaussichten, wenn seine Mutter sich kompromittiert?
Oder sind dies nur Hirngespinste, hervorgerufen durch die späte Stunde, eitle Spekulationen, denen ich in diesen Zeilen ungestraft freien Lauf lassen kann? Warum sollte ich denn meinem Bruder sein kleines Glück missgönnen, sei es nun innerhalb oder außerhalb der gesellschaftlichen Konventionen? Ist es bloß der säuerliche Neid einer alten Jungfer, die demnächst ihren vierzigsten Geburtstag begeht und damit alle Hoffnung auf solche Zweisamkeit begraben muss?
Ach, wäre es nur so – doch mein Herz sagt mir, dass meine Befürchtungen nicht unbegründet sind und dass wir alle noch den Tag verwünschen werden, an dem der Tod Charles Urquhart so lange vor der Zeit dahinraffte.
Mummy!«
Alison wachte sofort
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