Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
sah plötzlich Tränen in seinen Augen schimmern. »Zuerst hab ich mir nichts dabei gedacht. Sie geht manchmal Kaninchen schießen; die sind eine echte Plage für den Garten. Und als ich dann hörte, was mit Donald passiert war, wollte ich es zuerst nicht glauben – ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie so etwas tun würde. Wir waren doch Freunde.«
»Sie? Aber Mr. MacGillivray, warum sollte Alison Grant–«
»Nein, nein, es war nicht Alison.« Er schüttelte den Kopf. »Es war Louise.«
Aus Helen Brodies Tagebuch, 20. November 1899
Dr. Grant aus Grantown, Olivia Urquharts Vater, kam heute kurz nach dem Mittagessen zu Besuch. Da Rab nicht zu Hause war – er war zur Jagd nach Tomintoul gefahren –, empfing ich den Doktor selbst.
Der Mann gab sich keine Mühe, auch nur den Anschein der Höflichkeit zu wahren, sondern überfiel mich, nachdem er die angebotene Erfrischung abgelehnt hatte, sogleich mit einer unglaublichen Geschichte, in der er meinen Bruder beschuldigte, Geld von seiner Tochter erpresst zu haben. Es handle sich um das Erbteil ihrer Mutter, sagte er, und es sei meinem Bruder per Scheck ausbezahlt worden.
Natürlich sagte ich Dr. Grant, dass ich mir einen solchen Unsinn nicht weiter anhören würde, und schickte ihn seiner Wege, nachdem ich ihm versichert hatte, dass Rab sich gleich nach seiner Rückkehr bei ihm melden würde. Danach ging ich wohl eine Stunde lang im Salon auf und ab und sagte mir all die Dinge vor, die ich zur Verteidigung der Ehre meines Bruders hätte vorbringen können. Doch dann gewannen meine Zweifel die Oberhand über das verletzte Ehrgefühl, und ich begab mich ins Büro, um einen Blick in die Bücher zu werfen.
Wo hat Rab das Geld her, mit dem er die Arbeiter bezahlt und die Außenstände der Brennerei begleicht? Die Unterlagen weisen für die letzten Monate nur sehr dürftige Einnahmen aus, weit weniger, als zur Deckung der Betriebskosten notwendig wäre.
Die finanzielle Situation ist noch weit schlimmer, als ich befürchtet hatte – ich hätte Rabs Zusicherungen niemals Glauben schenken dürfen.
Ich wage nicht, mir vorzustellen, dass mein Bruder von Olivia Urquhart Geld angenommen haben könnte, und doch kann ich keine andere Erklärung für unsere plötzliche Solvenz finden. Wie weit würde er gehen, um die Katastrophe abzuwenden?
Und – so muss ich mich fragen, da ich sehe, wie nahe wir dem Ruin in der Tat schon waren – wäre ich nicht versucht gewesen, ganz genauso zu handeln?
Benvulin, 21. November
Der Schneesturm setzte gestern am späten Nachmittag ein. Wie ein weißer, wogender Vorhang kam er über den Fluss heran, und schon bald konnten wir nur noch bis wenige Meter vor unsere Haustür sehen. Ich kann nur vermuten, dass Rab über Nacht bei seinen Freunden in Tomintoul geblieben ist. Wenn die Männer draußen auf dem Moor vom Schnee überrascht worden sind, dürften sie in arge Schwierigkeiten geraten sein.
Benvulin, 26. November
Es hat rund um die Uhr ohne Unterlass geschneit. Wenn wir hier unten im Speytal schon ein solches Wetter haben, dann graut es mir bei dem Gedanken, wie es oben in den Bergen zugehen muss.
Ich habe mir alle Mühe gegeben, die Kinder abzulenken, doch sie sind alt genug, um ihren Vater zu vermissen und sich Sorgen zu machen.
Gestern hatte es am Tage so weit getaut, dass ich glaubte, ohne Bedenken einen der Knechte zu Pferde ausschicken zu können, doch kehrte er bereits nach ein paar Stunden völlig durchnässt und erschöpft zurück. Die Straße nach Tomintoul ist immer noch durch Schneeverwehungen blockiert. Ich kann nur annehmen, dass Rab weiterhin die Gastfreundschaft seiner Bekannten genießt.
Benvulin, 28. November
Eine kurze Schönwetterperiode hat dafür gesorgt, dass die Straßen wieder passierbar sind, wenngleich die Moore immer noch unter einer dichten Schneedecke liegen. Immer noch haben wir keine Nachricht von Rab. Der Knecht, den ich nach Tomintoul geschickt habe, konnte keine Bestätigung dafür erhalten, dass er überhaupt dort angekommen ist. Aber Rab muss doch Tomintoul vor dem Einsetzen des Sturms erreicht haben – es sei denn, es ist ihm unterwegs etwas zugestoßen. Ich befürchte allmählich das Schlimmste.
Benvulin, 5. Dezember
Nachdem ich erfahren hatte, dass ein Ladeninhaber berichtet, er habe Rab durch Tomintoul reiten sehen, begann ich mich zu fragen, ob er vielleicht Livvy Urquhart in Carnmore besucht hat. Gestern bin ich dann selbst mit der Kutsche nach Carnmore gefahren, die ich
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