Nuramon
seinem Schwert glitt, und schon war er an ihm vorüber.
Im nächsten Augenblick war sein Gegner fast vergessen. Eine Narbe und erschrockene Augen, die vielleicht grün oder aber blau gewesen waren. Das war alles, was blieb. Kein echtes Gesicht, keine Stimme und kein Name. Und doch fragte sich Nuramon, ob der Mann eine Familie zurückgelassen hatte, ob irgendwer auf seine Wiederkehr wartete.
Nuramon war erleichtert, dass die nächsten Krieger, die ihnen entgegentraten, sich bereits gerüstet hatten und Helme ihre Gesichter verdeckten. Das Kämpfen fiel leichter, wenn man dem Gegner das Gesicht, die Stimme, den Namen und alles andere nahm, was ihn zum Kind irgendwelcher Eltern machte, zum Gatten irgendeiner Frau, zum Vater irgendwelcher Kinder. Noch leichter machten es ihm jene, die ihnen mit Gewaltschreien und Beschimpfungen begegneten. Das Mitleid starb, wo der Hass regierte.
Als er aber einem zornerfüllten Feind das Schwert in die Brust stieß, ihn mit einem Tritt wieder davon befreite und der Krieger vor Schmerzen wimmernd zu Boden ging, vernahm Nuramon einen Entsetzensschrei. »Varnol!«, rief ein Helmträger neben dem Sterbenden. Ein Name! Und während Nuramon sich fragte, was die beiden Männer verband, gab Varnols Gefährte ihm bereits die Antwort: genug, um sich dem Mörder seines Gefährten mit einem verzweifelten Schrei entgegenzuwerfen.
Nuramon parierte einen Schlag nach dem anderen und überlegte, ob er sein Gegenüber lediglich verwunden sollte. Doch da schlug Varnols Gefährte einem der Seekrieger eine Wunde in den Hals. Der Jüngling taumelte, das Blut schoss hervor, und er sank leblos zu Boden. Da kehrte Nuramons Zorn zurück, und er schnitt dem Feind ebenfalls eine Wunde in den Hals. Schließlich stand er schwer atmend über dem sterbenden Fremden, während rings umher die Seekrieger wüteten.
»Weiter!«, brüllte Goswyrn, und schon stürmte Nuramon an der Seite der Seekrieger aus dem Lager hinaus auf die alte Königsstraße und der Stadt Urijas entgegen. Endlich fügten sich die Rufe der einzelnen Seekrieger zu einem Chor, in den auch Nuramon einstimmte. Es war der Schlachtruf der Jasborer Seekrieger. Ein tiefer Schrei, der sich langsam in die Höhe erhob, wie eine tief ansetzende Welle, die sich immer weiter auftürmte, bis sie brach und in die Tiefe stürzte. Der Schrei gab ihm Kraft und Zuversicht, und so kämpften sie sich die Straße entlang. Wer vorn rannte, warf sein Wurfmesser im Lauf den ersten Feinden entgegen. Das verunsicherte die nachfolgenden Krieger, und viele von ihnen wichen zur Seite aus, um der Spitze des Angriffes zu entgehen. Jene, die nicht vor den Wurfdolchen zurückwichen, brachten Nuramon und seine nachrückenden Gefährten zu Fall.
Ein Schwertfürst in glänzender Rüstung näherte sich mit einem leichten Kriegshammer und einem kleinen Schild; und weil Nuramon vorne lief und keiner in seiner Nähe einen Dolch warf, zog er im Lauf die krumme Klinge aus dem Gürtel und sandte sie dem feindlichen Anführer entgegen. Der Krieger hob den Schild, doch es war zu spät. Der Dolch drang ihm in den Schädel, und er fiel zitternd zu Boden.
Ein Schmerz peitschte sich in Nuramons Seite. Ein Speer riss ihm eine Wunde über der Hüfte. Nuramon stieß den Schaft der Waffe zur Seite, doch ehe er zum Gegenangriff übergehen konnte, fällte ein Axthieb Goswyrns den varmulischen Speerträger. Nuramon dankte dem Schwertfürsten der Seekrieger mit einem knappen Nicken, und schon stürmten sie weiter.
Das Tor lag nun nicht mehr fern, und als Nuramon und die Seekrieger ihren Kriegsschrei ein weiteres Mal vorausgesandt hatten, hallte der gleiche Ruf wie ein Echo von der Mauer herab. Die Krieger in Urijas begrüßten sie.
Jene Varmulier, die den Rammbock am Osttor führten, ließen den langen Holzstamm fallen und suchten das Weite. »Wir übernehmen den Rammbock!«, rief Nuramon und erntete zunächst verständnislose Blicke. Als er aber zu den beiden Belagerungstürmen wies, verstanden die Seekrieger, hoben den Rammbock, und Nuramon schützte die Beute mit dem Rest der Krieger.
Eine feindliche Kriegsschar drohte sich links von ihnen zu sammeln. Doch Nuramon wollte es nicht so weit kommen lassen. Er rief Goswyrn zu: »Wir teilen uns!« Der Schwertfürst nickte und führte einen Großteil seiner Männer auf den Belagerungsturm zu.
Nuramon wusste, dass dort, wo die Varmulier sich nun zu einem Angriff sammelten, auf viele seiner Gefährten und auch auf ihn der Tod lauerte. So hob er im
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