Nuramon
Auseinandersetzung, die bevorstand, würde viele Krieger das Leben kosten. Aber Borugar hatte recht: Mit dem Angriff auf Nerimee hatten ihre Widersacher es zu weit getrieben.
Borugar drückte Nuramon an sich und sagte: »Ich bin sicher, dass du kaum erwarten kannst, nach Nerimee zu sehen. Aber erzähl mir zuvor noch kurz von der Lage im Osten.«
Nuramon seufzte. »Die Heilquelle ist unser; Ralorno ist tot. Herzog Golro ist aus Urijas gekommen und hält die Quelle, und die Feinde sind inzwischen über den Ruljas zurück nach Varmul geflohen.«
»Und was ist mit dem Feldherrn?«, fragte Goswyrn.
Nuramon schaute zu Nylma und Yargir. »Der Feldherr war Varramil Cardugar, der Neffe des Königs.« Er erzählte ihnen vom Kampf an der Heilquelle im Schlangenforst, von Varramils Tod, Dorgals Verletzung und von Bjoremuls absichtlicher Niederlage.
»Ist Bjoremul dein Gefangener?«, fragte Borugar.
»Er wird mein zweiter Schwertfürst sein«, erwiderte Nuramon.
Borugar nickte lächelnd, die Feldherren aber tauschten erstaunte Blicke. Doch ehe einer von ihnen etwas gegen seine Entscheidung sagen konnte, hallten Schritte die Treppe zum Vorraum des Saales hinab. Kurz darauf betraten Daoramu, Jaswyra und Nerimee mit Waragir den Raum. Letztere hielten einander bei der Hand. Es war das erste Mal, dass seine Tochter und Waragir sich offen als Paar zeigten.
»Vater!«, rief Nerimee und lief ihm in die Arme. »Ich hatte keine Ahnung, welche Macht in mir schlief, bis ich sie entdeckte und gegen die Feinde schleuderte.« Sie begann zu weinen.
Nuramon strich ihr über den Kopf. »Bist du verletzt?«, fragte er.
Sie sah ihn mit unruhigen Augen an. »Die Wunden sind verheilt«, sagte sie mit zitternden Lippen und musste nichts hinzufügen, um zu erklären, dass ihre Seele litt. Nuramon küsste sie auf die Stirn. »Du bist nun wieder bei uns, Nerimee«, sagte er sanft. »Du bist stark – und du bist nicht allein.«
Nerimee löste sich mit einem winzigen Schmunzeln von ihm und ließ sich von Waragir in die Arme schließen. Der junge Schwertfürst küsste sie, und Nuramon war sich sicher, dass er Nerimee zu trösten vermochte.
Nylma und Yargir kamen hinzu und begrüßten ihren Sohn und umarmten Nerimee. Nuramon drückte Daoramu und Jaswyra an sich und war erleichtert, endlich wieder daheim zu sein. In Daoramus Lächeln fand er die Ruhe, die er in all den Wochen vermisst hatte.
Gaerigar und Yendred betraten nun den Saal. Und während Yendred mit einem Jauchzen auf ihn zulief und sich an ihn klammerte, wirkte sein älterer Sohn nachdenklich. Nuramon wusste, was Gaerigar umtrieb. Mit der Schuld, Leben ausgelöscht zu haben, zeigte sich, welches Gemüt ein Krieger besaß. Nuramon bedauerte, dass sein Sohn die Unbeschwertheit seiner Jugend mit diesem ersten Kampf jetzt bereits hinter sich gelassen hatte. Aber es ließ sich nicht ändern, und so blieb ihm nur, Gaerigar zu helfen, mit der unausweichlichen Schuld zu leben, die jeden Krieger plagte. »Ich bin stolz auf dich«, sagte er deshalb und fasste seinen Sohn an den Schultern.
»Bist du auch stolz auf mich? «, fragte Yendred und sah ihn mit großen Augen an.
»Ganz besonders auf dich«, antwortete Nuramon.
Yendred fragte ihn nach seinen Taten. Nuramon schaute in die Runde, und weil so viele Blicke auf ihm ruhten, erzählte er von Bjoremul und der Rettung seiner Familie aus Varlbyra. Gerade als er von ihrer Ankunft in der Sternfestung Elfengrat berichtet hatte, erschien Loramu mit Bjoremul, seiner Frau Dyra und seiner Tochter Lyasani.
Der Wyrenar trat unter den staunenden Blicken der Familie und den Feldherren vor Borugar und verbeugte sich. »Mein Fürst!«, sagte er.
»Willkommen auf Jasbor, Bjoremul!«, erwiderte Borugar. »Mein Sohn vertraut dir, so vertraue auch ich dir. Du wirst hier ein neues Heim haben. Im Südflügel bei Nylma, Yargir und Waragir stehen dir und deiner Familie Gemächer zur Verfügung.«
»Es ist eine Ehre, und ich werde dich nicht enttäuschen«, erklärte Bjoremul. Der Wyrenar stellte Dyra und Lyasani dem Fürstenpaar vor und sprach dann nach all den Jahren wieder mit Nylma und Yar gir. Yendred fragte Lyasani aus, während Nerimee, Waragir und Gae rigar am Rande standen und flüsterten.
Nuramon lächelte. Seine Familie war nun fast vollständig. Nur Ceren fehlte noch. Während Nylma, Yargir, Daoramu und die Kinder Bjoremul und seine Familie zu ihren Gemächern führten und Borugar seinen Kriegsrat fortsetzte, ging Nuramon zu der Geisterfrau hinauf.
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