Nuramon
Als sie vor dem Feuer erschien, lag ein Lächeln auf ihren Lippen. »Hast du viele Steine gesammelt?«, fragte sie, noch ehe er etwas vom Geschehen der letzten Tage berichten konnte.
Er nahm es Ceren nicht übel, dass sie nicht nach Nerimee oder Gaerigar fragte. Sie würde seinen Kinder mehr Trost spenden, als sie es alle zusammen vermochten. So nickte Nuramon auf ihre Frage nach den Steinen und leerte seinen Beutel auf dem runden Tisch aus.
Ceren kam näher und ließ ihren Blick über die unterschiedlichen Steine gleiten. »Einige sehen vielversprechend aus«, erklärte sie. »Und auch ich habe etwas für dich.« Ihre nachtschwarzen Augen glänzten in ihrem schneeweißen Gesicht. »Vor einer Weile schon habe ich den Zauber entdeckt, der Daoramus Jugend bewahrt.«
Nuramon stockte der Atem.
Sie grinste, und ihr Haar schlängelte sich in Strähnen an ihr herab. »Er ist schwierig, aber ich habe ihn.«
»Aber warum hast du es für dich behalten?«
»Weil du Dinge zu erledigen hattest.«
Nuramon nickte, dann schüttelte er lächelnd den Kopf. »Du weißt Geheimnisse für den richtigen Moment zu bewahren«, sagte er.
An einem ruhigen Sommermorgen ging Daoramu mit den Frauen, die ihr nahestanden in das fürstliche Bad. Ihre Mutter erzählte Yurna, der Botin, von ihrer Kindheit im Fürstentum Nyrawur. Sie waren im tieferen Wasser unter dem Fenster; nur ihre Köpfe schauten heraus. Nerimee saß am Beckenrand neben Ceren, deren weißer Stein in einer Feuerschale lag. Nach den Wochen der Schwermütigkeit konnte ihre Tochter endlich wieder lächeln.
Daoramu saß neben Dyra, die ihrer Tochter das Haar wusch, und sprach ihr Mut zu. Die Varmulierin sorgte sich um ihren Mann. Bjoremul kämpfte im Süden an der Seite Borugars und Yargirs gegen Graf Flarigor von Wurelgar und dessen Unterstützer aus dem Fürstentum Nyrawur. Die gemeinsame Sorge um ihre Liebsten hatten Daoramu und Dyra nähergebracht. Sie sprachen über den Waffenstillstand, den sie mit den Varmuliern ausgehandelt hatten. Dyra war der Meinung, dass König Mirugil etwas Großes plante. Seine Macht sei keineswegs gebrochen. Er verfüge noch über gewaltige Streitmächte.
»Ich wünschte, Mirugil würde endlich einsehen, dass es hier in Yannadyr nichts für ihn zu gewinnen gibt«, sagte Daoramu.
»In Varlbyra ist er weit von allem entfernt«, erklärte Dyra. »Er hat einen Saal, dessen Boden eine Landkarte ist. Für ihn ist Yannadyr nur eine weitere Steinplatte, die er seinem Mosaik hinzufügen will. Vielleicht wird der Thronerbe nach Mirugils Ableben ein besserer Herrscher sein. Seine Mutter ist eine kluge Frau.«
»Yaswani? Eine kluge Frau?«, fragte Daoramu. Die Erste unter den Frauen König Mirugils galt als eitel und eifersüchtig.
Dyra schüttelte den Kopf. »Yaswani ist nicht mehr die Königin. Sie war die Älteste und Einflussreichste unter den Frauen Mirugils. Aber dann schenkte Yenwara Mirugil einen Jungen. Seither ist sie die Königin.«
»Yenwara?«, sagte Daoramu leise. »Den Namen kenne ich.«
Dyra lächelte. »Dann sind die Gerüchte also wahr.«
»Welche Gerüchte?«
»Man erzählt sich am Hof, dass Yenwara, ehe sie das Herz des Königs gewann, im Palast von Werisar diente.«
»Yenwara!«, rief Daoramu. »Als ich in Werisar war, war sie zunächst meine Vertraute und später meine Kerkermeisterin wider Willen. Damals war sie noch ein halbes Kind – ein wunderschönes Mädchen voller Angst um ihre Familie.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hatte sie vergessen, und nun ist sie Mirugils Frau.«
Nylma betrat das Badegewölbe. Sie streifte sich den Seidenmantel ab und schritt die Treppe herunter. Sie war gestern erst aus dem Süden zurückgekehrt. Während sie ins Wasser stieg, fuhr ihre linke Hand die geflochtene Lederkette hinab und fasste den Almandin, der zwischen ihren Brüsten ruhte.
»Man würde sie nicht für eine Kriegerin halten«, flüsterte Dyra, und Daoramu nickte. Nylma war groß und schlank. Und seit sie zu leichten Schwertern und Kurzschwertern übergegangen war, wirkte sie nicht mehr so kräftig wie vor neunzehn Jahren, als Daoramu sie kennengelernt hatte. Nur die hellen Flecken und Linien der Narben erzählten von ihrem Leben als Kriegerin. Die blasse Stelle an ihrem Oberarm – eine Brandwunde, die sie sich im Kampf um Teredyr zu gezogen hatte – war allerdings kaum noch zu erkennen; die Gesichtswunde, die sie vor einigen Jahren erlitten hatte, sogar verschwunden.
Nylma schwamm zu ihnen und lächelte Lyasani an. Die
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