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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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Stadt, Grafen und Herzöge. Sogar Jasgur war gekommen. Er war angeblich Tag und Nacht geritten, um rechtzeitig anzukommen. Dass so viele Blicke auf die Mitte des Saales gerichtet waren, schien Nuramon nicht zu stören. Unter dem Schweigen der Gäste holten er und Nerimee Edelsteine und sprachen kleine Zauber darauf, die den großen Zauber vorbereiten sollten.
    Der weiße Stein ruhte in der Feuerschale, und Ceren stand still und lächelnd da und ließ ihren Blick von einem Gast zum nächsten wandern. Als sie zu Helerur schaute, erstarrte ihr Gesicht, als gefriere es zu einer eisigen Maske.
    Borugar lobte sie als Teil der Familie, pries ihre Weisheit und fragte sie, was er noch für sie tun könne.
    »Gewährt mir eine Bestattung«, antwortete sie. »Dieser weiße Stein ist mein Körper. Ist die Macht erst einmal in das Fragment geflossen, wird dies mein Leichnam sein. Bestattet ihn in Ehren – nicht in den kalten Hallen eurer Ahnen, sondern draußen, wo ich die Menschen empfing, unter der Sonne und den Sternen, im Wind und im Regen, im fürstlichen Park mit einem Blick über die Stadt und die Flussmündung zum Festland. Und kommt dorthin, um meiner zu gedenken.«
    Borugar versprach es. »Dieser Tag, dieser 19. Ramugol, wird ein Gedenktag sein – der Tag der Ceren. An diesem Sommertag soll der Weg in den Fürstenpark jedem offen stehen. Die Leute sollen an dein Grab treten dürfen wie an das Grab eines Ahnen.«
    Ceren beugte langsam ihr Haupt, und ihr weißes Haar wellte sich in breiten Strähnen herab.
    Das Fürstenpaar verabschiedete sich zuerst. Dann traten ihre Kinder vor ihre Lehrmeisterin und Ratgeberin. Gaerigar tröstete Yendred, während Nerimee mit Ceren flüsterte. Waragir war an Nerimees Seite, und Ceren sprach ihnen leise Worte zu – vielleicht, so dachte Daoramu, war es ein Rat für ihre gemeinsame Zukunft. Zuletzt kamen jene, die Ceren am längsten kannten: Nuramon, Nylma, Yargir und Daoramu selbst. Sie rang nach Worten. »Wenn wir dir doch nur einen Hauch dessen mitgeben könnten, was du uns gegeben hast!«, sagte sie schließlich.
    Ceren schüttelte langsam den Kopf. »Das habt ihr schon damals in Alvarudor getan. Und hier habt ihr es fortgeführt. An jedem Tag, den ich in eurer Mitte leben durfte. Durch euch habe ich das Leben wiederentdeckt. Und nun habe ich dieses Dasein bis zum süßen Ende ausgekostet.«
    Ceren wandte sich Nuramon zu, und ihre dunklen Augen glänzten. Sanft strich sie ihm über die Wange. »Mein Neffe, mein Enkel, mein Sohn, mein Schützling. Ich weiß, dass du nicht um mich trauern wirst. Du weißt, dass der Tod nicht das Ende ist. Dieses Dasein wird enden, damit ich ein neues Leben finden kann.« Sie lächelte liebevoll. »Ich weiß, dass du gelegentlich immer noch die Furcht hegst, dass der Tod dich ereilt und ewig binden könnte. Aber ich habe dich und deine Kinder lange beobachtet. Sollte der Tod je nach dir greifen, dann denk an deine Kinder.« Sie schaute kurz zu Nerimee. »Ihre Seelen sind weder die von Elfen noch von Menschen. Sie sind wie die eines eigenen Volkes – ein Strom, der aus zwei gleich bedeutenden Flüssen hervorgeht.«
    Daoramu war Cerens Blick gefolgt und las in der Miene ihrer Ältesten dieselbe Verwirrung, die auch sie selbst empfand. Aber da wandte Ceren sich Nerimee ganz zu und sagte: »In dir sehe ich etwas, das ich in den Elfenfrauen der Sippe deines Vaters erkannte: ein Erbe.« Dann schaute sie zu Nuramon. »Es mag sein, dass das Band, das von deiner Tochter ausgeht, stark genug ist, dass du als Nerimees Nachkomme wiedergeboren würdest, falls du dein Leben verlörest.«
    Daoramu sah das Erstaunen in Nuramons Gesicht, und auch sie verstand, dass sich mit dieser Offenbarung ein Ausweg aus Nuramons größter Angst auftat. »Die Wiedergeburt!«, flüsterte sie.
    »Du bist wahrhaftig meine Mentorin, meine Großmutter, meine Tante, meine Mutter«, sagte Nuramon. »Ich werde dich immer im Herzen tragen. Und ich sage nicht Lebewohl.« Er lächelte. »Ich sage: Auf Wiedersehen, Ceren. Und dieses Wiedersehen erwarte ich mit Freuden.«
    Ceren trat schmunzelnd einen Schritt zurück. »Dies ist nun der Zeitpunkt des Abschieds«, sagte sie und ließ ihren Blick unter den Versammelten umherwandern. Daoramu brannten die Tränen in den Augen, doch sie musste lächeln, als sie den Ausdruck in Cerens Gesicht sah. Ein geschwungenes Lächeln unter beinahe grün schimmernden Wangen. Ihre Augen glänzten wie die eines Kindes. Ceren war glücklich, dessen war

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