Nuramon
hättest es auch getan, wenn du nicht über einen Alvaru verfügt hättest«, entgegnete Helerur. »Sonst wärst du untergegangen.«
Nuramon hätte Helerur am liebsten gepackt und hinter dem fremden Magier in die Tiefe geworfen; doch der Herzog war das Einzige, was ihnen als Beute geblieben war. Sie hatten ihn gejagt, erlegt und würden ihn nun ausnehmen, bis sie auf die Antworten stießen, nach denen sie suchten.
Nuramon fasste seinen Mut und ging zu Nylma. Das Rot übertönte das Hellbraun ihrer Wangen. Sie schaute ihn an, und er wusste nicht, was er sagen sollte. »War es falsch?«, fragte sie schließlich. »Ihn einfach zu töten?«
»Hat es dir irgendetwas gegeben?«, erwiderte er.
»O ja«, sagte sie mit hasserfüllter Stimme. »Ich muss nun nicht mein Leben lang mit dem Wissen herumlaufen, dass der Mörder meines Jungen noch lebt.«
Nuramon schaute zu Helerur. »Der Mann, den du getötet hast, war nur ein Handlanger. Dort drüben steht der Kopf des Ganzen.«
Sie atmete tief ein und aus. »Würde ich Borugar nicht so sehr respektieren, wäre Helerur bereits tot.«
Gemeinsam gingen sie zu Waragirs Körper zurück, und Nylma strich ihrem Sohn durch das Haar. »Er war ein Geschenk. Ich wollte immer viele Kinder. Aber wir hatten nur ihn. Ceren meinte, wir hätten Glück gehabt.« Sie wischte sich die Tränen ab. »Wir alle hätten eine Familie sein können, mit gemeinsamen Enkeln.«
»Wir sind eine Familie, Nylma«, sagte Nuramon. »Schon lange. Seit wir zum ersten Mal in Alvarudor waren. Und nichts kann das ändern. Nicht einmal dies.«
Ein angestrengtes Lächeln zog sich über Nylmas Gesicht. »Gibst du mir einen Moment mit ihm allein?«
Nuramon nickte und erhob sich. Er schaute zu Bjoremul hinüber. Der Wyrenar blickte voller Abscheu Helerur entgegen.
Nuramon kehrte zu Borugar und Helerur zurück. Der Herzog rechtfertigte gerade den Anschlag, den er damals in Doranyr hatte verüben lassen. »Ich konnte nicht wissen, dass Daoramu dabei ist«, sagte er.
»Und nun hast du denselben Fehler wieder begangen«, entgegnete Borugar. »Der Zauber, der Nuramon galt, hat Daoramu in Schlaf versetzt. Schau dort!« Er wies auf Nylma. »Sie ist nicht nur meine Leibwächterin. Sie war damals in Doranyr dabei. Sie hat damals schon deine Schergen bekämpft. Daoramu hat dir eine zweite Chance geschenkt. Und Nuramon und all die anderen, die davon wussten, gewährten ihr den Wunsch, dich zu verschonen. Und nun schau: Ihre Milde hat ihren Sohn das Leben gekostet. Den Verlobten meiner Enkelin!«
Helerur machte Anstalten, vor Borugar auf die Knie zu fallen. »Bleib stehen, sonst schlage ich dir den Schädel vom Rumpf!«, zischte der Fürst. »Wenn dir dein Leben lieb ist, bleibst du stehen. Du willst doch deine Familie retten, oder?«
»Du hast sie gefasst?«, fragte der Herzog, und Nuramon war überrascht, nun echte Sorge in seiner Miene zu entdecken.
»Bedeuten sie dir so viel?«, fragte Borugar. »Nachdem du sie aus einem sicheren Leben in die Verdammnis geführt hast?«
»Ich tue alles, aber verschone sie«, sagte Helerur flehend. »Ich habe dir oft das Leben gerettet, hast du das vergessen?«
Borugar schlug Helerur mit der Faust ins Gesicht. »Du wirst mir alles sagen, was du weißt. Nur dann verschone ich deine Familie. Und wage es nicht zu lügen!«
Helerur wischte sich Blut von den Lippen und nickte langsam. »Der König von Varmul steckt dahinter. Er hat einige Zauberer aus Helbyrn für sich gewonnen. Die Ringträger sind aber nichts gegen den Magier an seinem Hof. Der hat die Ringe verzaubert.«
»Bist du ihm begegnet?«, fragte Borugar.
Helerur schüttelte den Kopf. »Mittelsmänner aus Varmul brachten mir die vier Ringträger«, sagte er. »Ich kenne nicht einmal den Namen des Hofmagiers. Die Varmulier machen ein großes Ge heimnis daraus. Ich habe jedenfalls dafür gesorgt, dass die Zauberer mit ihren Ringen unerkannt herkamen. Bis nach Jasbor mussten sie dann allein gelangen. Ich gab ihnen Geld und alles, was sie brauchten.«
In Borugars Miene legte sich Bedauern. »Warum, Helerur?«, fragte er. »Würdest du wirklich lieber unter einem fremden König Fürst sein als unter mir Herzog der mächtigsten Provinz?«
»Ich habe Mirugil vor neun Jahren in Varmul getroffen. Er schätzt mich, und ja. Ich will nicht lügen. Ich sollte unter ihm Fürst werden; der größte von ganz Varmul. Der Schwiegervater des nächsten Königs.«
Borugar nickte und lächelte bitter. »Familienbande also«, sagte er.
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